Wiesbaden (epd). Der gerade ausgeschiedene hessische Verfassungsschutzpräsident Robert Schäfer hat Fehler der Behörde im Umgang mit der Akte des späteren Mörders von Walter Lübcke eingeräumt. Vor dem Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zu dem Fall sagte der jetzige Landespolizeipräsident am Mittwoch, er könne noch immer nicht nachvollziehen, warum etwa die Teilnahme von Stephan Ernst an einer rechtsextremen Sonnwendfeier im Jahr 2011 trotz eines entsprechenden Fotos nicht berücksichtigt wurde. Schäfer zeigte sich überzeugt, dass nach den von ihm angestoßenen Veränderungen im Landesamt für Verfassungsschutz heute die Akte über den Rechtsextremisten nicht mehr wie 2015 gesperrt worden wäre.
Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach möglichen Fehlern hessischer Behörden vor dem Mord an dem nordhessischen Regierungspräsidenten im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen nach. Für den Mord an Lübcke ist der heute 49-jährige Stephan Ernst inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Verfassungsschutz hatte schon Jahre vor der Tat eine Akte über den Rechtsextremisten geführt. Diese wurde aber nach Ablauf der Löschungsfrist 2015 gesperrt, so dass Ernst auch nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Grund war, dass seit 2009 keine Erkenntnisse mehr über dessen Engagement in der rechtsextremistischen Szene vorlagen.
Schäfer übernahm die Behörde ebenfalls 2015, war aber an der Entscheidung über Löschung oder Sperrung der Akte nicht mehr beteiligt. In seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss machte Schäfer am Mittwoch deutlich, dass der Umgang des Landesamts mit der rechtsextremistischen Szene damals hinter den aus heutiger Sicht gegebenen Erfordernissen zurücklag. In seiner Amtszeit habe es aber umfangreiche Maßnahmen gegeben, um dies zu verändern. Vor allem seien die sogenannten Löschungslisten abgeschafft worden, aufgrund derer Akten mutmaßlicher Rechtsextremisten nach Ablauf der fünfjährigen Frist ohne neue Erkenntnisse gesperrt wurden.
Stattdessen gebe es inzwischen ein umfassendes System der Begutachtung Betroffener, mit denen gerichtsfest sämtliche Anhaltspunkte für eine weitere rechtsextremistische Betätigung analysiert und bewertet würden. Dafür sei inzwischen eine eigene Abteilung Rechtsextremismus mit hoch qualifizierten Experten eingerichtet worden, die in den beiden kommenden Jahren weiter personell aufgestockt werde. Auch schon gesperrte alte Akten seien noch einmal eingehend überprüft und Betroffene zum Teil wieder in die Beobachtung genommen worden. Zudem seien die operativen Fähigkeiten des Verfassungsschutzes selbst verbessert und seine Zusammenarbeit mit der Polizei und anderen Ämtern erheblich ausgebaut worden.