Düsseldorf (epd). Die Predigten des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. ähneln dem Theologen und Autor Friedrich Erich Dobberahn zufolge der „Kriegstheologe“ in Deutschland in den beiden Weltkriegen. Ziel einer solchen „Kriegstheologie“ sei es, das Barbarische und Unethische des Krieges als Gottes Wille zu rechtfertigen, sagte der Autor des Buches „Deutsche Theologie im Dienste der Kriegspropaganda“ dem Evangelischen Pressedienst (epd). Den Soldaten werde gesagt, dass sie - auch mit allen ihren im Krieg begangenen Grausamkeiten - Teil der universalen Heilsgeschichte seien.
Der Moskauer Patriarch hatte am 6. März in seiner Predigt erklärt, mit dem Angriff auf die Ukraine sei Russland in einen Kampf eingetreten, der keine physische, sondern metaphysische Bedeutung habe. Damit habe Kyrill eine Kreuzzugsformel von 1099 aufgegriffen, erläuterte der rheinische Theologe, der unter anderem Leiter des Missionsseminars des Evangelisch-Lutherischen Missionswerkes in Niedersachsen in Hermannsburg war. Die Behauptung, dass Gott als Verbündeter exklusiv auf der Seite eines einzigen Volkes stehe, kritisierte Dobberahn als „theologische Ursünde“.
Der patriotisch-verfälschten Theologie zufolge vollstreckten Soldaten ein „gerechtes Gericht“ an den Feinden Gottes, erklärte der zweifach promovierte Theologe. Russische Soldaten würden demnach auf Befehl Putins in der Ukraine gegen das angebliche Teufelswerk der Homosexualität, des Völkermords an den Russen und des Neo-Nazismus’ ihre „heilige Spezialoperation“ durchführen, sagte der Theologe, dessen Buch angesichts des Ukraine-Kriegs gerade in einer ergänzten und aktualisierten Auflage erschienen ist. Der Patriarch, der früher ein Mitarbeiter des KGB gewesen sein soll, habe Putin schon 2012 im Syrien-Krieg als „Gesandten Gottes“ ausgerufen.
Auch in Deutschland seien während der beiden Weltkriege Bibeltexte, die gegen den Krieg und für den Frieden sprachen, „systematisch zerstückelt und umgedeutet“ worden, erklärte Dobberahn. Die deutsche Kriegstheologie sei Ausdruck eines „aggressiven darwinistisch-metaphysischen Vortrefflichkeitswahns“ gewesen, „der 1945 nicht zufällig im ethischen Nullpunkt der Gaskammern endete“. Die Kirche dürfe sich von ihren Glaubenskriterien her nicht verpflichten lassen, sich denen anzuschließen, die den Krieg für ein politisches Mittel hielten, um nationale Sicherheit oder machtpolitische Ziele zu erreichen, mahnte Dobberahn mit Blick auf den Ukraine-Krieg.