Oldenburg, Lengerich (epd). Der katholische Theologe und Menschenrechtler Peter Kossen hat seiner Kirche Unfähigkeit zur Veränderung vorgeworfen. „Sie verwechselt Realitätsverweigerung mit Standhaftigkeit, Rechthaberei mit Treue, Verschlagenheit mit Macht“, schreibt der im westfälischen Lengerich lebende Priester in einem Gastbeitrag für die Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ (Freitag). Es werde keine lineare Weiterentwicklung in eine reformierte katholische Kirche geben. „Diese Kirche ist nicht reformierbar!“
Eine Wende zum Besseren sei nur durch Auflösung und Krise möglich, schrieb Kossen. „Um dem Zeitgeist der selbstverliebten Autokratie, Homophobie und Frauenfeindlichkeit auch in den eigenen Reihen wirkungsvoll zu begegnen, braucht die Kirche den befreienden Aufbruch und den Sturm des Heiligen Geistes, der sie ins dritte Jahrtausend drängt.“
In den Fragen der Neubewertung von Homosexualität, Zulassung von Frauen zu allen Ämtern, Synodalität, Toleranz anderer Lebensformen, Machtbegrenzung und Machtkontrolle auf allen Ebenen sowie Entklerikalisierung könne und dürfe es keine faulen Kompromisse geben, unterstrich Kossen. „Der Ausschluss der Frauen aus Weiheämtern ist zu begründen, nicht die Zulassung.“
Seiner Beobachtung nach seien mehr als ein Drittel aller Priester und Bischöfe schwul. Dies müsse nicht bewertet und eigentlich auch nicht explizit erwähnt werden. „Die sexuelle Identität wird aber zur Tragödie, wo bei anderen stigmatisiert wird, was man bei sich selbst nicht zulassen darf.“ Kleine „Reförmchen“ und halbherzige Zugeständnisse betonten lediglich die Absurdität bestehender Regelungen.
Kossen zufolge wird derzeit die „Kirche vor die Wand gefahren“. Darum brauche es bereits jetzt Menschen, die Kirche aus den Trümmern wieder neu aufbauen: „Eine Kirche, die integriert und nicht ausgrenzt, die für die Würde des Menschen und die Bewahrung der Schöpfung kämpft, die achtsam lebt und die Teilhabe aller an den Gütern dieser Erde einfordert, die Macht nur auf Zeit vergibt und die Art der Machtausübung ständig kontrolliert, die aufhört, Frauen aufgrund ihres Geschlechts auszuschließen von kirchlichen Ämtern.“
Er selbst könne sich zurzeit kein Szenario vorstellen, auf dessen Hintergrund er die Kirche verlassen würde. „Kirche in Auflösung, Kirche in Trümmern wird in mir und in vielen anderen lebendige Steine finden für den Wiederaufbau.“