Berlin (epd). Der Zentralrat der Juden in Deutschland will trotz Kritik die Ergebnisse einer Untersuchung über Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Belästigung am Abraham-Geiger-Kolleg veröffentlichen. Der Mut der Betroffenen dürfe keiner Verzögerungstaktik zum Opfer fallen, erklärte der Zentralrat am Dienstag in Berlin.
Der Anwalt des Rektors der Potsdamer Rabbinerausbildungsstätte hatte im Zusammenhang mit der angekündigten Veröffentlichung von Untersuchungsergebnissen vor einer Vorverurteilung seines Mandanten Walter Homolka gewarnt. Sollte im Bericht eine Stellungnahme Homolkas nicht berücksichtigt sein, würde aus seiner Sicht eine „massive Persönlichkeitsrechtsverletzung“ vorliegen, hieß es in einer Erklärung von David Geßner.
Homolka habe sich über Monate einer ernsthaften Mitwirkung an der unabhängigen Untersuchung der Kanzlei Gercke Wollschläger verweigert, monierte der Zentralrat daraufhin. Dies sei der wesentliche Grund, warum die Kanzlei den Bericht nicht bis zum Jahresende fertigstellen könne. Im Sinne der Betroffenen sieht sich der Zentralrat nach eigenem Bekunden jedoch in der Pflicht, seine ursprüngliche Zusage einer Veröffentlichung der Ergebnisse in diesem Jahr einzuhalten.
Homolka sei Anfang September von der Kanzlei Gercke Wollschläger um eine Stellungnahme gebeten worden, teilte der Zentralrat weiter mit. Die konkreten Vorwürfe seien ihm im Oktober mitgeteilt wurden. Er habe über seinen Anwalt mehrfach eine Beantwortung angekündigt, etwa zum 26. Oktober. Seine Stellungnahme sei hingegen erst am vergangenen Sonntag eingegangen. Diese werde in dem Untersuchungsergebnissen berücksichtigt, die am Mittwoch veröffentlicht werden sollen.
Die Vorwürfe waren Anfang Mai durch einen Medienbericht bekannt geworden. Im Mittelpunkt stand ein ehemaliger Mitarbeiter des Instituts und des Abraham-Geiger-Kollegs.
Das Abraham Geiger Kolleg hat unterdessen die Gründung einer Stiftung als Trägerin der Rabbinerausbildung angekündigt. Deren Struktur sehe „eindeutige Mitwirkungs- und Kontrollregelungen“ vor, teilte Interims-Direktorin Gabriele Thöne in Potsdam mit. Geplant seien Aufsichtsgremien für religiöse und Verwaltungsfragen.
Homolka wird der Stiftung den Angaben zufolge nicht angehören. Er werde sich künftig der Forschung und der Tätigkeit als Professor der Universität Potsdam widmen, hieß es. Die Leitung der Rabbinerausbildung gehe 2023 in neue Hände über. „Wichtig ist, dass das Rabbinerseminar seine Arbeit ungestört und erfolgreich fortsetzen kann - progressiv und unabhängig“, erklärte Homolka.
Das Rabbinerseminar an der Universität Potsdam wurde 1999 gegründet und bildet seit 2001 Geistliche der liberalen Strömung des Judentums aus.