Berlin (epd). Einen Tag nach der Einigung in der Regierung hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Bundestag für den geplanten „strukturierten Rückzug“ der Bundeswehr aus dem westafrikanischen Krisenland Mali geworben. Bei einer Debatte über den Etat des Auswärtigen Amtes sagte sie in Berlin, Deutschland sei ein verlässlicher Partner. Es wäre nach ihren Worten wiederum das Gegenteil einer verantwortlichen Außenpolitik, wenn Hals über Kopf gesagt würde, „wir haben es uns im Übrigen anders überlegt“, fügte Baerbock mit Hinweis auf bereits gemachte Zusagen im Bündnis hinzu. Auch die Situation der Ortskräfte, die lokalen Helfer der Bundeswehr, soll mitbedacht werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich am Dienstag mit den zuständigen Ministerinnen darauf geeinigt, dass die an der UN-Mission Minusma beteiligte Bundeswehr bis Mai 2024 aus Mali abziehen soll. Das im kommenden Mai auslaufende Mandat soll dafür noch um ein Jahr verlängert werden. Hier hat der Bundestag das letzte Wort. Die Bundeswehr wäre damit noch für die im Februar 2024 in Mali geplanten Wahlen vor Ort. Die Entscheidung ist ein Kompromiss zwischen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), die die Truppen seit Monaten aus Mali abziehen wollte, und Baerbock, die für einen Verbleib plädiert hatte.
Während beim überstürzten Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan im vergangenen Jahr lokale Helfer der Deutschen in Gefahr zurückgelassen wurden, soll für den Abzug aus Mali frühzeitig ein Schutzkonzept für die Ortskräfte erarbeitet werden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte, man sei sich einig, dass Malierinnen und Malier nicht in Gefahr geraten dürften, weil sie für Deutschland gearbeitet haben.
Nach seinen Angaben sind an der deutschen Botschaft in Mali 15 Ortskräfte beschäftigt. Die Bundeswehr hatte laut Verteidigungsministerium Anfang November 62 lokal Beschäftigte in dem Land. Hinzu kommen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei den deutschen Organisationen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Ein Sprecher des Entwicklungsministeriums nannte eine Gesamtzahl von rund 300 Personen.
Bei den Planungen für den Abzug aus Afghanistan vor mehr als einem Jahr hatte die damalige Bundesregierung Forderungen nach einem Schutzprogramm für lokale Helfer der deutschen Streitkräfte und Organisationen abgelehnt. Nach der Machtübernahme der Taliban und einer überstürzten Evakuierungsmission im August 2021 blieben viele Helfer zurück, die nun in Gefahr sind. Inzwischen wurde von der aktuellen Bundesregierung ein Aufnahmeprogramm für sie eingerichtet.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Johann Wadephul (CDU), bezeichnete derweil den Abzug aus Mali als „politische Kapitulation“. Dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Mittwoch) sagte er, die Ampel-Koalition habe kein Konzept für Mali und die Sahel-Region gefunden. „So werden unsere Soldaten von einem Einsatz entbunden, der militärisch kaum noch Sinn machte.“
Nach Ansicht der Konfliktforscherin Antonia Witt hat die deutsche Regierung indessen eine klare Linie für alle Seiten gezogen. Im Inland sei es wichtig, dass die Debatte nicht länger von anhaltendem Hickhack über ein Ende oder ein Datum dafür bestimmt werde und sich auf die künftige Rolle Deutschlands in Mali konzentrieren könne, sagte die Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich sei die Festlegung auf ein Datum Mitte 2024 ein eindeutiges Signal an die Vereinten Nationen (UN) und an das afrikanische Konfliktland, dass es keinen überstürzten Abzug geben werde.
Derzeit besteht der Minusma-Einsatz aus etwa 13.000 Soldatinnen und Soldaten sowie 2.000 Polizeiangehörigen aus 57 Ländern, Deutschland beteiligt sich mit bis zu 1.400 Soldatinnen und Soldaten.