München (epd). Der Jugendhilfeträger SOS-Kinderdorf fordert für Kinder und Jugendliche ein „selbstbestimmtes Recht auf Therapie“. Um die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stehe es in Deutschland aktuell nicht besonders gut, sagte SOS-Kinderdorf-Vorstandsvorsitzende Sabina Schutter am Donnerstag in München. Dies hätten verschiedene Studien und Untersuchungen gezeigt. Die Wartezeiten für Psychotherapie-Plätze seien nicht erst seit der Corona-Pandemie lang.
Schutter sagte, gerade für Kinder und Jugendliche, die in Jugendhilfeeinrichtungen lebten, sei das mangelnde Selbstbestimmungsrecht ein Problem. Manche Herkunftseltern hätten noch ein teilweises Gesundheitssorgerecht und könnten darüber ihren Kindern eine Psychotherapie verwehren. Dass das nicht nur ein theoretisches Problem ist, schilderte die 19-jährige Vanessa, die selbst in einem SOS-Kinderdorf lebt: „Manche Eltern wollen nicht wahrhaben, dass ihre Kinder eine Therapie brauchen.“
Katharina Bühren, Ärztliche Direktorin am kbo-Heckscher-Klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie in München, sagte, die Pandemie habe die psychischen Probleme vieler Kinder und Jugendlicher nicht ausgelöst - aber es habe „wie ein Brennglas vorhandene Probleme deutlicher zutage treten lassen“. Die Versorgungslage habe sich dadurch „noch mal verschlechtert“, weil mehr Kinder und Jugendliche einen Therapiebedarf bei gleichbleibendem oder geringerem Therapieangebot angemeldet hätten.
Es sei allerdings auch keine Lösung, jetzt auf die Schnelle mehr Behandlungsplätze zu schaffen oder gar Kliniken zu eröffnen, sagte Bühren: „Dafür würde nämlich das Fachpersonal fehlen.“ Gleichwohl dürfe die Situation mittelfristig nicht so bleiben. Die Zahl der Therapieplätze für Kassenpatienten sei vor rund 30 Jahren das letzte Mal neu berechnet und angepasst worden. Für ein reiches Land wie Deutschland sei das extrem unbefriedigend, sagte SOS-Kinderdorf-Vorstandschefin Schutter.