Münster, Bonn (epd). Kurz vor dem Besuch der deutschen katholischen Bischöfe in Rom hat der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf Papst Franziskus kritisiert und den reformorientierten Bischöfen Wehleidigkeit und Mutlosigkeit vorgeworfen. Der Papst nehme Synodalität nicht ernst, sagte Wolf der in Oberursel erscheinenden Zeitschrift „Publik-Forum“ (Samstag, online). Indes kündigte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, an, in Rom alle wichtigen Themen wie den Synodalen Weg, Fragen der Sexualmoral, Geschlechtergerechtigkeit oder Ökumene „offen und ehrlich“ anzusprechen.
Anlässlich des sogenannten Ad-limina-Besuchs der Bischöfe vom 14. bis 18. November in Rom hatten sich zuvor bereits 33 katholische Verbände und Initiativen kritisch zu Wort gemeldet. In einer gemeinsamen Resolution forderten sie den Vatikan auf, die deutschen Reformbemühungen im sogenannten Synodalen Weg anzuerkennen und selbst zu handeln.
Kirchenhistoriker Wolf sagte „Publik-Forum“, unter den deutschen Bischöfen nehme er Wehleidigkeit und mangelnden Einsatz für Reformen wahr. Wenn der Münchener Kardinal Reinhard Marx sage, dass er für das Diakonat der Frau sei und weitere neun Bischöfe auch, warum beantrage er dann keine Sondergenehmigung beim Papst?, fragte Wolf. „Ob dazu viel Mut gehört, weiß ich nicht.“ Sollte Franziskus das Anliegen ablehnen, könnten sie ihren Rücktritt anbieten. „Es wäre spannend, zu sehen, ob der Papst zehn Rücktritte annehmen würde.“
Der Vorwurf, wonach die Deutschen eine Protestantisierung der katholischen Kirche wollten, sei „eine Meistererzählung der Konservativen, eine absolute Verkennung der deutschen Situation und der Diskussionslage im Synodalen Weg“, sagte Wolf. Allerdings seien die reformorientierten unter den deutschen Bischöfen in der Pflicht, die Vorbehalte und Bedenken der Mitarbeiter in den Leitungs- und Verwaltungsorganen des Heiligen Stuhls ernst zu nehmen.
Die sogenannten Reformer sollten sich zudem überlegen, welche Leute sie für die Mitarbeit in der Kurie abstellen. Man dürfe „nicht nur Leute nach Rom schicken, die man in der Seelsorge nicht brauchen kann und sich hinterher darüber wundern, dass sie wenig hilfreich sind“, sagte Wolf.
Der Limburger Bischof Bätzing erklärte am Samstag, es gebe in Rom klar erkennbaren Gesprächsbedarf, „gerade über das, was wir als Weg der Umkehr und Erneuerung für die Kirche in unserem Land im Synodalen Weg zusammen mit vielen machen“. Die aktuelle Situation der katholischen Kirche sei „herausfordernd“. Es treffe ihn persönlich sehr, dass so viele Menschen aus der Kirche austreten. Sie gäben damit ein Votum ab und zeigten, dass sie nicht mehr damit einverstanden seien, wie sich Kirche darstelle.
Reformgruppen wie „Wir sind Kirche“ und Maria 2.0 äußerten ihre Hoffnung, dass beim Ad-limina-Besuch „die gefährliche Kommunikationslücke mit dem Vatikan geschlossen wird“. „Die Deutungshoheit über den Weg der Kirche darf nicht den Gegnern jeder Reform überlassen werden, die von Angst, Mutlosigkeit und aggressiver Abwehr geleitet werden“, heißt es in einem am Wochenende veröffentlichten Offenen Brief von rund 33 katholischen Verbänden und Initiativen. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem auch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), die Pfarrer-Initiative Deutschland und mehrere Betroffenengruppen von Missbrauchsopfern.
Zuletzt hatte es ein Zerwürfnis zwischen der Bischofskonferenz und Teilen der Kurie gegeben, nachdem der vatikanische Ökumene-Minister, Kardinal Kurt Koch, in einem Interview Parallelen zwischen dem theologischen Vorgehen des deutschen Reformprozesses Synodaler Weg und der Kirche im Nationalsozialismus gezogen hatte.