Köln (epd). Wege einer möglichen Falschaussage im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Die Staatsanwaltschaft kündigte am Mittwoch an, strafrechtliche Ermittlungen gegen den katholischen Theologen wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung im Zusammenhang mit mutmaßlichen Missbrauchstaten des früheren „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz aufgenommen zu haben. Der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für den sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln, Stephan Rixen, forderte eine gründliche Aufklärung.
Zuvor hatte eine frühere Mitarbeiterin der Personalabteilung des Erzbistums Köln eine Angabe des Kardinals im Fall Pilz infrage gestellt und dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch) dazu belastende Dokumente vorgelegt. Der Kölner Verfassungsrechtler Rixen sagte der Zeitung, alle bisher bekannten Indizien und vor allem die Angaben der Mitarbeiterin sprächen dafür, „dass es in der Führungsspitze des Erzbistums mindestens eklatante Versäumnisse, wenn nicht ein bewusstes Wegschauen und Vertuschen gegeben hat“. Die Aufarbeitungskommission erwarte „zeitnah eine minutiöse Darstellung der Abläufe im Fall Pilz“.
Woelki hatte in einer presserechtlichen Auseinandersetzung mit der „Bild“-Zeitung eidesstattlich versichert, dass er mit dem Fall Pilz erst in der vierten Juni-Woche 2022 befasst war. Die frühere Mitarbeiterin der Personalabteilung im Erzbistum Köln verweist aber darauf, dass eine vor ihr erstellte Namensliste samt Nennnung des Pfarrers Pilz dem Kardinal bereits Anfang 2015 vorgelegt worden sei.
Nach Strafanzeigen wegen des Verdachts auf Falschaussage lehnte die Kölner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Woelki Ende Oktober wegen fehlenden Anfangsverdachts zunächst ab. Nach der medialen Berichterstattung am Dienstag und Mittwoch habe man den Sachverhalt erneut geprüft „mit dem Ergebnis, dass nunmehr ein Ermittlungsverfahren gegen den Kardinal“ aufgenommen worden sei, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die nun an die Öffentlichkeit getretene frühere Assistentin des Personalchefs im Erzbistum, Hildegard Dahm, hatte nach eigenen Angaben Anfang 2015, also etwa ein Vierteljahr nach dem Amtsantritt Woelkis, eine Liste mit den Namen von 14 Missbrauchstätern aus dem Erzbistum Köln erstellt, auf der auch Pilz aufgeführt gewesen sei. Diese Liste sei Woelki vom Personalchef übergeben worden, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Es könne zwar sein, dass sich Woelki die Liste nicht angeschaut habe, „aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig“, sagte Dahm der Zeitung. Die Liste habe ihr damaliger Chef in ein Arbeitsgespräch mit dem Erzbischof mitgenommen und ihr am Anschluss auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Aufstellung den Kardinal nicht interessiert habe. Dahm widersprach zudem der Darstellung, die Akte Pilz sei schon unter Kardinal Joachim Meisner 2014 geschlossen worden.
Rixen, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, zeigte sich auch „menschlich erschüttert“ über Dahms Ausführungen. „Wenn es stimmt, dass eine Täterliste den Kardinal nicht interessiert hat, dann frage ich mich: Was wird in diesem Erzbistum eigentlich für ein Spiel gespielt?“
Der 2019 gestorbene Pfarrer Winfried Pilz war lange Jahre Präsident des katholischen Kindermissionswerks „Die Sternsinger“ und galt als führende Figur in der Jugendseelsorge. Bereits in den 70er Jahren soll Pilz einen schutzbedürftigen jungen Erwachsenen sexuell missbraucht haben. Im Februar 2014 wurde dem im Ruhestand befindlichen Pilz ein Strafdekret übermittelt, das ihm den Kontakt mit Minderjährigen verbot und ihn zu Zahlungen an den Betroffenen verpflichtete.