Berlin (epd). Der Berliner Protestforscher Simon Teune hält die umstrittenen Aktionen der Initiative „Letzte Generation“ für nachvollziehbar. „Nur die Störung führt dazu, dass geltende Regeln und Prioritäten in Frage gestellt werden“, sagte Teune in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das habe für die Frauenrechtsbewegung und die Anti-Atombewegung gegolten, „und das gilt auch heute für die Klimagerechtigkeitsbewegung“. Teune ist Protest- und Bewegungsforscher an der Freien Universität Berlin.
„Proteste stören, irritieren und zuweilen nerven sie auch“, betonte der Soziologe: „Es geht dabei nicht darum, allen zu gefallen, sondern den Finger in die Wunde zu legen.“ Dabei wirkten Proteste, die stören, „nicht für sich allein, sondern in Kombination mit Engagement an anderen Stellen, Aufklärungsarbeit, großen Demonstrationen, Vorschlägen von Alternativen“. Die Störung sei vor allem Ausdruck der Dringlichkeit von einer anderen Politik und einer anderen Haltung zur Klimakrise.
„Dass wir uns über angeklebte Aktivisten und Aktivistinnen aufregen, aber nicht über ein kollabierendes Weltklima, ist Teil der Botschaft der 'Letzten Generation'“, unterstrich der Protestforscher: „Wir bekommen gerade recht deutlich gespiegelt, wo wir als Gesellschaft im Umgang mit der Klimakrise stehen.“ Die „Letzte Generation“ werde gerade dafür geprügelt, „dass wir nicht in der Lage sind, konsequent auf die Bedrohung der Klimakrise zu reagieren“.
Er könne sich gut vorstellen, „dass wir in ein paar Jahren den Kopf schütteln, wenn wir uns die Diskussionen heute ansehen“, sagte Teune. „Was uns an Konflikten bevorsteht, die durch Klimaveränderungen ausgelöst werden, wird die Debatte, wie weit Protest gehen darf, weit in den Schatten stellen“, betonte er. „Was gerade fehlt, ist eine Diskussion darüber, wie eine wirksame und gerechte Klimapolitik aussehen müsste und wer dafür handeln könnte und müsste“, fügte der Wissenschaftler hinzu.