Aachen (epd). Der Aachener Bischof Helmut Dieser will bei Papst Franziskus um Vertrauen für den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland werben. Der Papst habe selbst gesagt, es brauche Mut zu Entscheidungen, sagte Dieser der Deutschen Welle (DW) am Dienstag: „Ich würde ihm gerne verständlich machen, dass ich gerade all das machen will, was er uns vorschlägt.“ Zwischen dem 14. und dem 18. November weilen die deutschen Bischöfe im Vatikan beim Papst. Der Synodale Weg ist ein katholischer Reformprozess in Deutschland, an dem Bischöfe und Laien beteiligt sind.
Der jetzige Stand der kirchlichen Lehre zur menschlichen Sexualität sei „unterkomplex“ und werde der Wirklichkeit nicht gerecht, sagte Dieser, der auch Beauftragter für Fragen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche ist. Die katholische Kirche könne homosexuellen Menschen nicht mehr signalisieren, dass ihr Empfinden unnatürlich sei und sie deshalb enthaltsam leben müssten, erklärte der Theologe: „Homosexualität ist - das zeigt die Wissenschaft - keine Panne, keine Krankheit, kein Ausdruck eines Defizits, übrigens auch keine Folge der Erbsünde.“
Er selbst sei lange der Meinung gewesen, dass Homosexualität eine Einschränkung von Sexualität sei, räumte der 60-Jährige ein. Doch er habe gelernt, dass diese Sichtweise theologisch nicht zwingend sei. Falls sich heute zwei lesbische Frauen an ihn wendeten, um ein Kind taufen zu lassen, würde er es tun, sagte Dieser: „Wo ist das Problem, frage ich. Wo ist jetzt das Problem?“.
Hinter Hetze gegen Homosexualität vermute er Ängste und ein Gefühl der Bedrohung, sagte der Dieser: „Aber hetzen über Menschen - das ist grundsätzlich gegen das Evangelium.“ Dessen höchster Wert sei stattdessen die Liebe und Annahme eines anderen Menschen um seiner selbst willen. Darin sehe er keinen Werteverfall.
Sorge bereite ihm auch der Zustand der Demokratie, sagte der Aachener Bischof. Deren Grundlagen würden derzeit immer schärfer bestritten. Die Kirche müsse „ein Mahner des demokratischen Grundverständnisses“ sein. Der Höhepunkt der gesellschaftlichen Krise sei noch nicht erreicht.
Der vielfach geforderte Waffenstillstand für die Ukraine hat nach Diesers Einschätzung derzeit nur wenig Chancen. „Wenn eine Weltmacht wie Russland einen solchen Krieg gegen einen schwächeren Nachbarn beginnt, dann verunmöglicht das zunächst die Diplomatie“, sagte er. Das sei schmerzhaft, müsse man aber akzeptieren. Die Ukraine brauche Unterstützung. Sie habe das Recht, sich militärisch zu verteidigen, und sie verteidige nicht nur sich, sondern auch Westeuropa und dessen Wertevorstellungen.