München (epd). Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKGM), Charlotte Knobloch, ist am Sonntagabend im jüdischen Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz in München am Sonntag gewürdigt worden. Bundespräsidentin Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Gratulationsrede, Charlotte Knobloch, habe „diesem Land so viel gegeben“. Sie sei ein „Füllhorn der Mitmenschlichkeit“ und ein Vorbild wegen ihres nie nachlassenden Engagements für die Versöhnung zwischen Juden und Nichtjuden - „und auch für unsere Demokratie“.
Steinmeier hob hervor, Knobloch sei eine Versöhnerin und eine leidenschaftliche, streitbare Demokratin. „Sie wissen, wie gefährdet eine Demokratie ist, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger sich nicht zu ihr bekennen“. Knobloch stehe für etwas, „das nicht weniger als ein Wunder ist: dass in unserem Land jüdisches Leben wieder aufgeblüht ist, dass neue Synagogen und neue Lehrstätten entstanden sind, dass jüdisches Leben heute wieder vielfältig und in die Zukunft orientiert ist“.
Knobloch habe sich für Deutschland entschieden, sagte Steinmeier weiter: „Darauf durften die Deutschen nicht hoffen, nach allem, was Ihnen und Ihrer Familie angetan wurde.“ Zugleich zeige sich der Antisemitismus in den letzten Jahren wieder unverhohlener und offener, „auf der Straße, auf Schulhöfen, im Netz“: „Die Stimme gegen Judenhass zu erheben, das ist nicht allein Sache der Jüdinnen und Juden in unserem Land. Das ist Sache aller Menschen, die hier leben“, so Steinmeier.
Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete Knobloch als „Fixstern am bayerischen Firmament“. „Sie sind einfach ein toller Mensch!“ Knoblochs Tapferkeit mache anderen Menschen so viel Mut.
Charlotte Knobloch selbst sieht in dem Münchner jüdischen Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz ihre größte Lebensleistung. Bei einer Pressekonferenz vor dem Festakt sagte sie: „Es war ein Traum, der sich realisiert hat.“ Knobloch hob hervor, welchen Beitrag das Gemeindezentrum für das jüdische Leben in Deutschland geleistet habe und leiste. Sie freue sich jeden Morgen, wenn sie die Kinder in die zum Zentrum gehörende Schule gehen sehe. „Das gibt mir die Kraft, das zu tun, was ich tue.“ Es sei ihr sehr wichtig, dass jüdisches Leben in Deutschland eine Zukunft habe. Juden hätten immer zu Deutschland gehört, betonte sie.
Sorge mache ihr, dass es nach wie vor Antisemitismus gebe. Den jungen Menschen in Deutschland riet sie: „Lasst euch von niemandem erzählen, wen ihr lieben oder hassen sollt.“ Sie kritisierte, viele Politiker hielten schöne Sonntagsreden über Antisemitismus, doch wenn es um echte Konsequenzen gehe, seien sie oft zu langsam und zurückhaltend.
Knobloch wurde am 29. Oktober 1932 in München als Tochter des Rechtsanwalts Fritz Neuland geboren. In einem Versteck in Franken überlebte sie den Holocaust und kehrte 1945 nach München zurück. Seit 1982 wirkt sie im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und ist seit 1985 deren Präsidentin. Sie war zudem Jahre Vizepräsidentin und von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ferner war sie über mehrere Jahre Vizepräsidentin im European Jewish Congress und im World Jewish Congress. Für letzteren ist sie bis heute als Beauftragte für das Holocaust-Gedenken tätig. (00/3772/30.10.2022)