Berlin (epd). Die Theologin Anne Gidion vertritt künftig die Interessen der evangelischen Kirche in Berlin. Mit einem Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche wurde sie am Freitag ins Amt der Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eingeführt. Sie ist zugleich Seelsorgerin für evangelische Politikerinnen und Politiker. Kirche habe Expertise und Empathie zu bieten, sagte sie in ihrer Predigt vor Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Religionsgemeinschaften.
Die Kirche biete Möglichkeiten zum Atemholen, Zwischenräume, „in all dem Schaffen und Strampeln einen Moment Sendepause“, sagte Gidion. Zugleich sei sie Interessenvertretung und frage nach Überzeugungen und Haltungen, sagte Gidion. „Die besten Gesetze und Verordnungen helfen nicht, wenn sie nicht im Geist der Präambel des Grundgesetzes umgesetzt und gelebt werden“, sagte sie in ihrer Predigt. Dies gelte „auch als kleinere Schar, auch in der Minderheit“, sagte die Prälatin in Anspielung auf die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder.
Gidion leitete zuvor das Pastoralkolleg der Nordkirche in Ratzeburg, eine Weiterbildungsstätte für Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie arbeitete vor rund 20 Jahren bereits als Referentin im Berliner EKD-Büro. Zudem war sie danach im Bundespräsidialamt während der Amtszeit von Johannes Rau zuständige Referentin für die Kontakte zu Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Das Berliner Büro verfasst unter anderem Stellungnahmen zu Gesetzen, bei denen die Kirche vom Gesetzgeber angefragt wird oder sie eine Mitsprachemöglichkeit einfordert. Dazu zählen etwa Vorhaben in der Sozial- und Asylgesetzgebung oder bei medizinethischen Themen. Die Bevollmächtigte vertritt außerdem gegenüber der Politik die eigenen Interessen der Kirche, wenn es etwa um finanzielle Zuwendungen oder den Schutz religiöser Belange geht.
Gidion sei Kirchendiplomatin, das „Sprachrohr“ der EKD in die Politik, sagte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Die westfälische Präses, die die förmliche Einführung vornahm, betonte die Schwierigkeit des Amtes: „Die einen jubeln Sie hoch, andere haben dauernd etwas auszusetzen. Beides ist gleichermaßen gefährlich“, sagte sie.
Für die Bundesregierung gratulierte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der neuen Bevollmächtigten. Sie trete ihr Amt in einer „außergewöhnlichen, um nicht zu sagen schrecklichen Zeit“ an, sagte er mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine. Viele Menschen fänden bei den Kirchen Trost. Trotz Mitgliederverlusts der Kirchen dürfe auch in einer bunter und diversen werdenden Gesellschaft nicht unterschätzt werden, „wie sehr christlich-jüdische Werte die Gesellschaft noch heute prägen und zusammenhalten“, sagte er. Daher wünsche er sich eine laute Stimme der Kirchen.
Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, überbrachte die Glückwünsche der katholischen Kirche. „Wenn wir Kirchen mit verschiedenen Stimmen sprechen, verlieren wir an Kraft“, sagte er. Die Berliner Büros der beiden großen Kirchen arbeiten eng zusammen. Viele Stellungnahmen zu Gesetzen werden gemeinsam verfasst.