Leipzig (epd). Der Prozess gegen den Musiker Gil Ofarim ist vorerst geplatzt. Das Landgericht Leipzig hob am Montag die zunächst bis Ende November geplanten Termine auf. Die sechste Strafkammer begründete dies unter anderem mit einem kurzfristigen sogenannten Adhäsionsantrag der Nebenklage. Ursprünglich sollte der Prozess am kommenden Montag in Leipzig starten. (Az.: 6 KLs 607 Js 56884/21)
Aus Sicht der Kammer sprächen verschiedene Argumente gegen eine Aufrechterhaltung der anberaumten Termine, hieß es. Die Rede war unter anderem von einer „Fürsorgepflicht für den Angeklagten“. Bis Ende November waren zunächst sieben Verhandlungstage terminiert. Aussagen sollten etwa 20 Zeugen. Neue Termine für die Hauptverhandlung wurden am Montag zunächst nicht anberaumt. Damit sei angesichts der Arbeitsbelastung frühestens in sechs Monaten zu rechnen, hieß es.
Der 40-jährige Ofarim soll sich wegen des Verdachts falscher Verdächtigung und Verleumdung verantworten. Der Musiker, Sohn des bekannten israelischen Sängers Abi Ofarim (1937-2018), hatte einem Leipziger Hotelmitarbeiter im vergangenen Jahr antisemitische Äußerungen vorgeworfen. Die Ermittlungen gegen den Mitarbeiter wurden eingestellt. Ende März hatte die Staatsanwaltschaft Leipzig Anklage gegen den Musiker erhoben.
Das Verfahren hatte bereits im Vorfeld für viel Wirbel gesorgt. Ofarims Verteidiger machten dem Landgericht schwere Vorwürfe. Eine rechtsstaatliche Wahrheitsfindung stehe nach ihrem Eindruck nicht im Vordergrund, erklärten die Anwälte Alexander Stevens und Markus Hennig. Es sei vielmehr eine „Fortsetzung der bereits erfolgten medialen und politischen Vorverurteilung“ zu befürchten. Eine Sprecherin des Landgerichts hatte daraufhin entgegnet, die Kammer werde „das Verfahren so wie jedes andere Verfahren durchführen“.
In der Verfügung der sechsten Strafkammer des Landgerichts Leipzig vom Montag hieß es nun unter anderem, zwar habe das Oberlandesgericht Dresden am Freitag die Beschwerde der Verteidiger gegen die Ablehnung mehrerer Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden als unzulässig verworfen (- 1 Ws 238/22 -). Gleichwohl hätten die Verteidiger trotz „Deeskalationsbestrebungen der Kammer“ ihre Medienarbeit „noch einmal mit Fehlinterpretationen der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Dresden“ intensiviert und ihre Bemühungen zur Verhinderung des Verhandlungsbeginns fortgesetzt.
Zudem sei am Freitag und damit etwa eine Woche vor Verhandlungsbeginn durch den Nebenklägervertreter ein umfangreicher Adhäsionsantrag gestellt worden. Dabei geht es um zivilrechtliche Ansprüche, die aus einer Straftat erwachsen.
Um dem Eindruck der Benachteiligung des prominenten Angeklagten entgegenzuwirken und genügend Zeit für die Entscheidungen über die übrigen noch offenen Rechtsmittel der Verteidigung gegen Kammerentscheidungen zu schaffen, sei die Absetzung der Hauptverhandlung geboten gewesen, erklärte das Gericht. Dies geschehe auch „vor allem in Ansehung der Fürsorgepflicht für den Angeklagten“. Weiter hieß es: „Diese Zeit des Innehaltens mag auch für einen Versuch genutzt werden, zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger zumindest hinsichtlich der Ehrdelikte im Verfahren einen Ausgleich herbeizuführen.“