Düsseldorf, Münster (epd). Vor dem Hintergrund der brutalen Niederschlagung von systemkritischen Protesten im Iran fordert der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ein neues Verständnis des Islams und des islamischen Gottesbildes. „Der Umgang des iranischen Regimes mit der eigenen Bevölkerung ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie Religion zum Instrument der politischen Repression wird“, schreibt Khorchide in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag). „Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machen wollen, haben ein grundsätzliches Problem mit dem freien selbstbestimmten Menschen.“
Gerade in Gesellschaften wie dem Iran, in denen Einschränkungen als vermeintlich göttlicher Wille dargestellt würden, distanzierten sich immer mehr Menschen von Gott, schreibt der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster weiter. Sie nähmen einen Gott wahr, der nicht auf der Seite des freien Menschen stehe, sondern auf der Seite der Despoten und Unterdrücker. „Es wird daher dringend ein Alternativverständnis des islamischen Gottesbildes und damit eng verbunden des Islams benötigt, um bereichernde Potenziale zur Befreiung des Menschen und zur Verwirklichung seiner Glückseligkeit sowie seiner Interessen als verantwortungsvoller Mensch zu entfalten.“
Der Tod einer jungen Frau, die nach der Inhaftierung durch die Sittenpolizei wegen nicht vorschriftsmäßig getragenen Kopftuch am 16. September gestorben war, hat im Iran eine Welle des Protests gegen die Unterdrückung von Frauen ausgelöst. Bei dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen bisher mehr als 80 Menschen getötet.