Karlsruhe mahnt Behörden zu Vorsicht bei Leihmutterschaftsverdacht

Karlsruhe mahnt Behörden zu Vorsicht bei Leihmutterschaftsverdacht

Karlsruhe (epd). Behörden und Gerichte dürfen beim Verdacht einer verbotenen Leihmutterschaft nicht vorschnell die betroffenen Kinder zu fremden Pflegeeltern geben. Auch wenn die Elternschaft des vermeintlichen Elternpaares nicht ausreichend geklärt ist, muss bei der Wegnahme gerade kleiner Kinder aus ihrem vertrauten Umfeld immer berücksichtigt werden, dass die Maßnahme eine erhebliche Traumatisierung darstellen kann, stellte das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss klar. (AZ: 1 BvR 1654/22)

Im Streitfall ging es um eine deutsche, damals 56-jährige Frau und einen aus Lettland stammenden 30-jährigen Mann, die am 2. Oktober 2019 in der Ukraine geheiratet hatten. Eine Woche zuvor wurden Zwillinge geboren. Sowohl ukrainische Geburtsurkunden als auch lettische Behörden wiesen das Paar als Eltern aus. Der Ehemann lebt derzeit in Großbritannien und hat der Frau eine für drei Jahre geltende Sorgerechtsvollmacht erteilt.

Doch als die Frau mit den Zwillingen nach Deutschland kam, ging das Jugendamt angesichts ihres Alters vom Verdacht einer verbotenen Leihmutterschaft aus. Es liege weder ein Mutterpass noch Krankenhausrechnungen von der Geburt vor. Die von ukrainischen und lettischen Behörden angenommene Elternschaft sei fehlerhaft erfolgt. Mutter sei sie nach deutschem Recht offensichtlich nicht, da sie die Kinder nicht geboren habe. Das Jugendamt übernahm die Personensorge für die Kinder und brachte sie ohne vorherige Ankündigung bei Pflegeeltern unter. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg beurteilte das Vorgehen der Behörde als rechtmäßig.

Das Bundesverfassungsgericht gab dem Antrag des Ehepaares auf einstweilige Anordnung und Rückführung der Kinder vorläufig statt. Zwar sei offen, ob im Hauptverfahren das Ehepaar als Eltern anerkannt werden können. Das Jugendamt und das OLG hätten jedoch vorschnell die Kinder zu Pflegeeltern gebracht. Denn eine Kindeswohlgefährdung habe bei den Beschwerdeführern nicht vorgelegen.

Vielmehr bestehe gerade bei kleinen, hier zwei Jahre alten Kindern die Gefahr einer Traumatisierung, wenn sie aus ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen und zu Pflegeeltern gebracht werden. Dem Hinweis des Ehepaares, dass die Wegnahme der Kinder durch das Jugendamt und eine mögliche Traumatisierung drohe, sei das OLG nicht nachgegangen, rügten die Verfassungsrichter.