VdK-Chefin Bentele: Häusliche Pflege darf Angehörige nicht arm machen

VdK-Chefin Bentele: Häusliche Pflege darf Angehörige nicht arm machen
Wer zu Hause einen Angehörigen pflegt, bezahlt häufig mit einer Verschlechterung der eigenen finanziellen Lage. Einem Viertel der pflegenden Frauen droht Armut. Der Sozialverband VdK fordert einen Pflegelohn, der Abhilfe schaffen würde.
27.09.2022
epd
Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Der Sozialverband VdK hat die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich einen Lohn für pflegende Angehörige einzuführen. „Nächstenpflege darf nicht arm machen“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele am Dienstag in Berlin. Sie verwies auf die völlig unterschätzte Bedeutung der Angehörigen für die Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland: „Die Pflege in Heimen ist der Gesellschaft Tausende Euro jeden Monat wert, die Pflege zu Hause bisher finanziell fast nichts“, sagte Bentele.

Dabei würden 3,1 Millionen von insgesamt 4,1 Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, überwiegend, nämlich zu fast drei Vierteln, von Frauen. „Wenn die Angehörigen nicht mehr pflegen, kann ich mir nicht vorstellen, wer es dann machen soll“, sagte Bentele.

Nach Angaben des Verbandes ist jeder fünfte pflegende Angehörige armutsgefährdet. Die Quote liegt damit vier Prozentpunkte höher als in der Gesamtbevölkerung (16 Prozent). Armutsgefährdet sind Haushalte, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens haben, bei weniger als 50 Prozent gelten sie als „arm“. Bei den pflegenden Frauen - darunter auch Mütter, die sich um pflegebedürftige Kinder kümmern - hat jede Vierte ein hohes Armutsrisiko.

Jede und jeder dritte pflegende Angehörige plagt sich zusätzlich zu den hohen Belastungen mit finanziellen Sorgen. Obwohl die Angehörigen professionelle Unterstützung, etwa durch einen Pflegedienst, bräuchten, verzichten mehr als die Hälfte darauf, weil sie zu viel zuzahlen müssten. Nach Angaben des VdK werden jedes Jahr Leistungen für die Pflege zu Hause im Wert von zwölf Milliarden Euro nicht abgerufen, häufig auch deswegen, weil sie nicht bekannt sind, ihre Beantragung zu zeitraubend ist oder die Angebote am Ort nicht vorhanden sind, wie etwa Kurzeitpflegeplätze.

Ein Lohn für die Pflege zu Hause würde das Bild deutlich verändern, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des VdK errechnet. Den DIW-Daten zufolge würde die Armutsrisikoquote unter pflegenden Frauen auf rund 15 Prozent sinken und insgesamt unter den pflegenden Angehörigen von 20 Prozent auf gut 13 Prozent. Die jährlichen Ausgaben für einen Pflegelohn beziffert das DIW auf sechs Milliarden Euro. Die Zahlung würde sich in dem Modell nach dem tatsächlichen Aufwand für die Pflege richten, also nach dem Pflegegrad des Pflegebedürftigen. Vergütet würden bis zu 40 wöchentliche Pflegestunden zum Mindestlohn, der am 1. Oktober auf zwölf Euro erhöht wird.

Damit schlägt der VdK ein anderes Modell vor als die Ampel-Koalition, die sich auf die Einführung einer Lohnersatzleistung nach dem Vorbild des Elterngeldes verständigt hat. Diese würde aber nach den Berechnungen des DIW zum einen das Armutsrisiko nicht so stark senken. Zum anderen erhielte der größere Teil der Pflegenden nur einen Sockelbetrag von 300 Euro monatlich, wie er auch im Elterngeld vorgesehen ist, hieß es.

Und schließlich würden Frauen erneut benachteiligt, wie VdK-Chefin Bentele deutlich machte. Eine Lohnersatzleistung wie das Elterngeld richte sich nach dem Einkommen. Frauen verdienten indes weniger als Männer und arbeiteten häufiger in Teilzeit. „Die Pflege durch eine Geringverdienerin ist aber genauso viel wert wie die Pflege durch einen Gutverdiener“, betonte Bentele. Der VdK werde sich dafür einsetzen, dass die Koalition ihre Pläne noch einmal überprüfe und endlich auch „einen Schutzschirm für pflegende Angehörige“ aufspanne.