Frankfurt a.M., Genf (epd) Der Sudan steht ohne schnelle Lösungen zahlreicher Probleme nach Einschätzung des UN-Experten Eddie Rowe vor dem Kollaps. "Ich würde den Sudan heute als tickende Zeitbombe bezeichnen", sagte der Landesdirektor des Welternährungsprogramms (WFP) dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Fast ein Drittel der Bevölkerung leidet unter gravierender Ernährungsunsicherheit.“ Die Lage verschlechtere sich seit der Machtübernahme des Militärs im Oktober 2021 jeden Tag.
Der WFP-Landesdirektor betonte, dass die Gewalt zunehme. Hilfe werde von der Regierung und bewaffneten Milizen behindert. „Wir bewegen uns nach und nach auf eine Situation zu, in der mehr als 70 Prozent des Landes nicht in der Lage ist zu überleben.“
Besonders die Kinder leiden laut dem Hilfswerk Unicef unter der Hungerkrise. „Drei Millionen Kinder unter fünf Jahren im Sudan sind akut unterernährt. 650.000 davon leiden an schwerer akuter Unterernährung“, erklärte die Unicef-Beauftragte für den Sudan, Mandeep O’Brien. Viele der Kleinen würden ohne eine Behandlung mit Spezialnahrung sterben, warnte sie.
Der Sudan benötigt nach Einschätzung von WFP-Landesdirektor Rowe dringend eine Stabilisierung der politischen Lage. „Wir brauchen eine Rückkehr zu Frieden und zu einer Regierung, die mit Strukturen und Institutionen grundlegende Dienstleistungen bereitstellt.“ Dafür müsse sich die internationale Gemeinschaft mehr engagieren. „Wenn es eine gemeinsame Anstrengung von EU, USA und den Golfstaaten gibt, um mit den entscheidenden Stellen in der Regierung zu verhandeln, glauben wir, dass es einen Durchbruch geben könnte“, sagte Rowe.
Das Militär im Sudan setzte vor knapp einem Jahr eine zivil-militärische Übergangsregierung ab, die nach dem Sturz von Langzeitherrscher Omar Al-Baschir 2019 eine Demokratisierung des Landes einleiten sollte. Die andauernden Proteste der Bevölkerung schlägt die Armee brutal nieder.
Zudem behindert die Regierung laut Rowe die Arbeit der Hilfsorganisationen. Auch die zunehmende Gewalt zwischen Gemeinschaften verursacht dem WFP zufolge Probleme. „Ursache dafür ist der Kampf um Land und natürliche Ressourcen wie Wasser“, sagte Rowe. Was sich bisher vor allem auf die westliche Region Darfur beschränkt habe, sei in diesem Jahr auch im südlichen Kordofan und im Osten, wo die Häfen liegen, zu beobachten.
Trotz der großen Not der Bevölkerung, der gestiegenen Preise und der Getreideknappheit wegen des Krieges in der Ukraine ist das WFP laut Rowe deutlich unterfinanziert. Für die kommenden Monate fehlten noch 203 Millionen US-Dollar, von denen Rowe im besten Fall 40 bis 45 Millionen erwartet. „Wir sind gezwungen, schwierige Entscheidungen zu treffen“. So mussten die Essensrationen halbiert und die Hilfe auf die Bedürftigsten wie Kleinkinder und Mütter beschränkt werden.
Das Hilfswerk UNHCR macht unterdessen auf das Schicksal der vielen Menschen auf der Flucht im Sudan aufmerksam. Für die Versorgung der Menschen sei angesichts rasant steigender Lebensmittelpreise mehr Geld notwendig.
Im Sudan leben laut UNHCR über 1,1 Millionen Flüchtlinge, die meisten von ihnen aus dem Südsudan. Zudem irren den Angaben nach 3,7 Millionen Binnenvertriebene im Sudan umher, vor allem in Darfur und Kordofan.