Luxemburg (epd). Der Anspruch einer ehemaligen Mitarbeiterin auf einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub muss nicht nach drei Jahren verjähren. Denn hat der Arbeitgeber die Mitarbeiterin während ihrer Beschäftigung nicht zum Urlaub aufgefordert oder auf einen Verfall der Ansprüche hingewiesen, gilt die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren nicht, urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. (AZ: C-120/21 LB)
Vor Gericht klagte eine aus Nordrhein-Westfalen kommende Frau, die von November 1996 bis einschließlich Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin in einer Kanzlei angestellt war. Ihr Urlaubsanspruch betrug pro Kalenderjahr 24 Tage. Anfang März 2012 hatte der Arbeitgeber ihr noch wegen der hohen Arbeitsbelastung bescheinigt, dass ihr Resturlaub von 76 Tagen aus dem Jahr 2011 und den Vorjahren nicht verfalle. In den Jahren 2012 bis 2017 sammelten sich weitere Urlaubstage an.
Als das Arbeitsverhältnis Ende Juli 2017 endete, verlangte die Frau von ihrem früheren Arbeitgeber die Abgeltung für 101 nicht genommene Urlaubstage sowie Weihnachtsgeld, insgesamt 23.092 Euro. 3.201 Euro hatte davon der Arbeitgeber bereits gezahlt.
Die Restforderung hielt der Arbeitgeber für verjährt. Es gelte die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltene allgemeine Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren, so dessen Argumentation. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte den Fall dem EuGH zur Prüfung vor.
Die Luxemburger Richter gaben der Klägerin dem Grunde nach recht. Zwar sei es richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert zu werden, die länger als drei Jahre zurückliegen. Das gelte aber nicht, wenn der Arbeitgeber wie im vorliegenden Fall die Mitarbeiterin während des Beschäftigungsverhältnisses nicht zum Urlaub aufgefordert oder über den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen informiert hat.
Damit, so das Gericht, habe es der Arbeitgeber zu verantworten, dass der Urlaub nicht genommen wurde. Von der dreijährigen Verjährungsfrist könne er dann nicht profitieren. Wie lange Ansprüche geltend gemacht werden können, hatte der EuGH jetzt nicht zu entscheiden. Über den Rechtsstreit will das BAG am 20. Dezember abschließend entscheiden.