Sie sind leicht zu erkennen, die Abgesandten der russisch-orthodoxen Kirche. Auf der Vollversammlung des Weltkirchenrates in Karlsruhe tragen sie schwarze Gewänder - wie alle orthodoxen Geistlichen. Reich verzierte Kreuze hängen an goldenen Ketten. Um ihren Hals tragen sie ein rotes Band mit dem Delegiertenausweis. Die Russisch-Orthodoxen bewegen sich fast immer im Pulk.
"We are the men in black", scherzt einer der Priester aus Russland. Offiziell heißt es aus der Delegation der Russisch-Orthodoxen, die immerhin die größte der 352 Mitgliedskirchen des Weltkirchenrates stellt: "Die Atmosphäre hier auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen ist sehr freundschaftlich, wir sind seit den frühen1960er Jahren Mitglied."
Viele Teilnehmer des Weltökumene-Gipfels in Karlsruhe schauen jedoch betreten zur Seite, wenn die Männer in Schwarz erscheinen: Denn das russisch-orthodoxe Oberhaupt, Patriarch Kyrill I., gibt dem Angriffskrieg des Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine offiziell seinen Segen. Die Schuld an dem blutigen Gemetzel, dem bereits Zehntausende Menschen zum Opfer gefallen sind, gibt der Moskauer Patriarch dem Westen: "Dieser tragische Konflikt ist Teil einer groß angelegten geopolitischen Strategie, die in erster Linie darauf abzielt, Russland zu schwächen."
Kyrill gilt als enger Vertrauter des Kriegstreibers Putin, an ihm prallen alle Aufrufe, sich für eine diplomatische Lösung einzusetzen, ab. So forderte der geschäftsführende Generalsekretär Ioan Sauca den russisch-orthodoxen Anführer mehrfach auf: "Erheben Sie Ihre Stimme, damit der Krieg beendet werden kann."
Komplizenschaft werfe Schatten auf Versammlung
Eigentlich, so hatte es die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirch in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, erhofft, sollte die erste ökumenische Vollversammlung in der Bundesrepublik "ein großes Fest des Glaubens" werden. Doch nun wirft nicht nur Putins Eroberungsfeldzug an sich, sondern auch die offene Komplizenschaft der russisch-orthodoxen Führung einen "Schatten" auf die neuntägige ÖRK-Konferenz in der badischen Metropole - so sagt es Sauca.
Die wenigen Delegierten aus der Ukraine bringen das Töten und Zerstören in ihrer Heimat immer wieder zur Sprache - der Aufschrei der Opfer lässt kaum einen Teilnehmer der Vollversammlung unberührt. Am eindringlichsten beklagt Erzbischof Jewstratij "den brutalen Krieg Russlands gegen uns", der sich nahtlos in eine Jahrhunderte alte Unterwerfungsstrategie gegen die Ukraine einreihe.
Kritik an Patriarch, Lob für Bundespräsident
Putins Ziel sei eine "Entukrainisierung" der Ukraine, betont der orthodoxe Erzbischof von Tschernihiw und Nischyn. Jewstratij stellt auch die Führung der russisch-orthodoxen Kirche rund um Patriarch Kyrill an den Pranger: "Niemand hat das Recht einer Aggression, einem Genozid seinen Segen zu erteilen."
Mit Lob hingegen bedachte der Erzbischof aus dem Norden der Ukraine das deutsche Staatsoberhaupt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zum Auftakt in ungewöhnlich scharfer Form Moskaus Waffengang verurteilt. Die russisch-orthodoxe Kirchenleitung führe ihre Gläubigen auf einen "glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg". Kyrill und seine Anhänger machten sich mit dem "Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein", sagte der Bundespräsident.
Die Reaktion des Moskauer Patriarchats ließ nicht lange auf sich warten. Der russisch-orthodoxe Delegationsleiter, Metropolit Antonius, warf Steinmeier vor, sich in die "inneren Angelegenheiten" des Ökumenischen Rates der Kirchen einzumischen. Die Einlassungen Steinmeiers seien "ein Beispiel für den unverschämten Druck eines hochrangigen Vertreters der Staatsmacht" auf den ÖRK.
Die russisch-orthodoxe Kirche (ROK) selbst jedenfalls braucht keinen Druck zu befürchten, jedenfalls nicht vom ÖRK. Nahezu einhellig lehnen die anderen Kirchen Sanktionen gegen die ROK ab - ein Ausschluss der Russen, der Männer in Schwarz, aus dem Weltkirchenrat steht auf der Vollversammlung schon gar nicht zur Debatte.