Brüssel, Bangkok (epd). Fünf Jahre nach der Vertreibung Hunderttausender Rohingya aus Myanmar haben die EU und Hilfsorganisationen eine Zukunftsperspektive für die Überlebenden angemahnt. Trotz internationaler Bemühungen und Aufforderungen an Myanmar, die Voraussetzungen für die Rückkehr in ihre Heimat zu schaffen, sei die Zukunft der Rohingya weiter ungewiss, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel. Dabei leiden laut humanitären Helfern vor allem Kinder und Jugendliche in den Flüchtlingslagern in Bangladesch unter der Perspektivlosigkeit. Sie seien hoffnungslos und deprimiert.
Borrell sagte, gegen die Rohingya und Angehörige anderer Minderheiten in Myanmar seien „entsetzliche Verbrechen“ begangen worden. Heute stehe dieselbe Militärführung, die für die Verbrechen gegen die muslimische Volksgruppe verantwortlich sei, an der Spitze der Junta des südostasiatischen Staates. Zugleich lobte Borrell die Unterstützung aus Bangladesch, das seit 2017 fast eine Million Flüchtlinge beherbergt und humanitäre Hilfe geleistet habe.
In dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar hatte die Armee am 25. August 2017 unter dem Vorwand einer Antiterrormission eine Offensive gegen die Rohingya begonnen, bei der Tausende Menschen getötet wurden. Hunderttausende Rohingya flohen damals vor der Gewalt ins benachbarte Bangladesch. Dort leben in Flüchtlingscamps fünf Jahre nach der Vertreibung nach UN-Angaben bis zu einer Million Menschen.
Dabei hat sich die Lage in den Camps in den vergangenen fünf Jahren nach Einschätzung von „Ärzte ohne Grenzen“ verschlechtert. Die Menschen lebten äußerst beengt in Bambushütten mit Plastikplanen, sagte Heidi Anguria, die zwei Projekte der Hilfsorganisation in den Flüchtlingslagern leitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die hygienischen Verhältnisse sind schlecht.“ Krankheiten wie Krätze seien weitverbreitet. Auch mentale Erkrankungen nähmen zu.
Hinzu komme die Hoffnungslosigkeit vor allem junger Menschen, sagte die gelernte Kinderkrankenschwester, die derzeit bei ihrem dritten Einsatz in Bangladesch ist. Kinder und Jugendliche hätten kaum Möglichkeiten, zur Schule zu gehen. „Sie sind hoffnungslos und deprimiert, weil sie keine Zukunft haben.“
Auch der Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrates, Jan Egeland, mahnte eine Zukunftsperspektive für die Überlebenden in Bangladesch an. Die Menschen in den Camps seien komplett von Hilfe abhängig, sagte er. Sie hätten „genug von gebrochenen Versprechen und Hoffnungslosigkeit“. Von der internationalen Gemeinschaft erhofften sie sich mehr Aufmerksamkeit für ihre Lage.
Derweil verurteilte Amnesty International die Straflosigkeit für die Verbrechen an den Rohingya. Nicht ein einziger hochrangiger Militärangehöriger aus Myanmar sei für die Gewalttaten verfolgt worden, sagte die stellvertretende Amnesty-Kampagnen-Direktorin für Südostasien, Ming Yu Hah. Immer noch würden den in Myanmar im Rakhine-Staat verbliebenen Angehörigen der Volksgruppe wesentliche Rechte wie die Bewegungsfreiheit und der Zugang zu Bildung vorenthalten.
Ermittler der Vereinten Nationen werfen Myanmar seit langem Völkermord an den Rohingya vor. Auch die USA stufen die Verbrechen als Genozid ein. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag beschäftigt sich ebenfalls mit den Genozid-Vorwürfen.