Berlin (epd). Vor dem Hintergrund stark steigender Preise für Gas und Energie fordern die Verbraucherzentralen einen Energiegipfel. Die Preissteigerungen müssten zumindest gedämpft werden, sagte die Vorständin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Ramona Pop, am Mittwoch in Berlin. Die Unternehmen müssten dabei zur Raison gerufen werden, denn viele Menschen seien bereits jetzt an der Grenze der Belastbarkeit angelangt.
Nötig sei keine Ankündigung eines neuen Hilfspakets, sagte Pop: „Die Menschen brauchen jetzt Hilfe.“ Die Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes rechnet damit, dass Verkehrsunternehmen nach Auslaufen des 9-Euro-Tickets die gestiegenen Energiepreise an die Nutzer weitergeben.
Die Verbraucherschützer begrüßen zwar grundsätzlich die Rettung gasimportierender Unternehmen durch die Gasumlage. Diese dürfe jedoch nur zur Vermeidung von Insolvenzen genutzt werden, nicht zur Absicherung von Gewinnen, mahnte Pop: „Das scheint nicht Realität zu sein.“ Ziel müsse eine „faire Lastenverteilung“ sein. Unternehmen dürften nicht gleichzeitig von der Umlage profitieren, die Preiserhöhungen vollumfänglich an die Kunden weitergeben und dabei hohe Gewinne einfahren, die unangetastet blieben.
Angesichts der sprunghaft steigenden finanziellen Belastung der Familien durch Stromrechnungen fordern die Verbraucherzentralen ein zeitlich begrenztes Verbot von Energiesperren bei Zahlungsverzug. Um über den Winter zu kommen, müsse eine solche Maßnahme für Energie, Gas und Mieten gelten, sagte Pop. Überdies seien Hilfspauschalen nötig, denn es sei mit weiteren massiven Preissteigerungen zu rechnen. Nach dem Winter werde es vermutlich ein „böses Erwachen“ geben.
Im ersten Halbjahr hätten sich die Beschwerden bei den Verbraucherzentralen wegen Preiserhöhungen bei Gas versiebenfacht, bei Strom verdreifacht, sagte Pop. Dabei handle es sich häufig um „verzweifelte Menschen, die nicht mehr weiter wissen“. Viele Berater seien daher auch als Sozialarbeiter gefragt. An sie wendeten sich mittlerweile nicht nur Menschen mit geringem Einkommen, sondern der Querschnitt der Gesellschaft: Allein der „Grad der Verzweiflung unterscheidet sich“.
Die Verbraucherzentralen sprachen demnach bereits mehrere Abmahnungen an Energieversorger aus, die trotz Preisgarantien mitunter im Wochentakt die Preise erhöhten. Gegen zwei Energieversorger reichten sie wegen einer Verdreifachung der Preise bereits eine Musterfeststellungsklage ein. Wenn es nicht gelinge, unseriöses Gebaren der Unternehmen zu unterbinden, werde die Akzeptanz für steigende Kosten in der Bevölkerung weiter schwinden, mahnte Pop. Wichtig sei, derartige Fälle bei den Verbraucherzentralen zu melden, damit diese gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten könnten.
Die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen warnte davor, angesichts des Energiemangels andere Krisen zu vernachlässigen. Die Bekämpfung des Klimawandels müsse umgehend mit einem nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft beginnen. Dazu seien eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung und klare Angaben über Inhaltsstoffe auf Lebensmitteln nötig.