Berlin (epd). Anlässlich des 30. Jahrestags der Ausschreitungen gegen Ausländer in Rostock-Lichtenhagen haben Flüchtlingsorganisationen die Auflösung von Massenunterkünften für Asylbewerber gefordert. Noch immer seien Unterkünfte für Flüchtlinge Zielscheibe für rassistische Gewalt, erklärten Pro Asyl und die in Berlin ansässige Amadeu Antonio Stiftung am Montag. Um dem zu begegnen, müssten die Heime aufgelöst und Flüchtlinge schnell in Kommunen verteilt werden, forderten sie.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zwar angekündigt habe, das vom ehemaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eingeführte Konzept der sogenannten Ankerzentren, in denen ankommende Schutzsuchende monatelang festgehalten werden, aufgeben zu wollen. Eine Absenkung der maximalen Aufenthaltszeit sei aber nicht vereinbart worden.
„Das Beispiel Ukraine zeigt, was in der Asylpolitik möglich ist, wenn der politische Wille zum Handeln da ist“, erklärten die beiden Organisationen mit Blick auf die oftmals dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge. Gleichzeitig problematisierten sie die in ihren Augen „massive Ungleichbehandlung von ukrainischen Geflüchteten und Geflüchteten aus Drittstaaten“.
30 Jahre nach den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen fordern Pro Asyl und Amadeu Antonio Stiftung zudem mehr Sensibilität bei der Polizei, eine genauere Statistik und ein Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt, um die Verfolgung der Täter und Täterinnen sicherzustellen. Vom 22. bis zum 26. August 1992 gab es im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen schwere rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Ausschreitungen. Im Verlauf der vier Tage gerieten dabei 150 Menschen in akute Lebensgefahr, nachdem ein Wohnhaus vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter in Brand gesetzt worden war. Mehr als 200 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres gab es in Deutschland 43 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, wie kürzlich eine Anfrage der Linken im Bundestag ergab. Im Durchschnitt werden demnach zwei Asylbewerber pro Tag Opfer einer in aller Regel rechtsextrem motivierten Attacke.