Frankfurt a.M. (epd). Vertreter aus Religionen, Politik und Gesellschaft haben am Mittwoch der Opfer des Völkermordes an den Jesiden durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vor acht Jahren gedacht. An einer Veranstaltung des Zentralrats der Jesiden in der Frankfurter Paulskirche nahmen unter anderem dessen Vorsitzende Zemfira Dlovani, der Primas der Armenischen Apostolischen Kirche in Deutschland, Serovpe Isakhanyan sowie die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken teil. Der Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Frank Schwabe (SPD), sagte der jesidischen Gemeinschaft seine Unterstützung zu.
Am 3. August 2014 hatten Kämpfer des IS jesidische Dörfer in der nordirakischen Sindschar-Region (kurdisch: Shingal) überfallen, Tausende Männer getötet und Frauen und Kinder unter anderem nach Syrien verschleppt. Zudem vergewaltigten sie Frauen und Mädchen systematisch. Zwar gelangt Zehntausenden Menschen damals die Flucht in die Berge, jedoch wurden sie dort von dschihadistischen Kämpfern umzingelt und belagert, bis es kurdischen Milizen gelang, einen Fluchtkorridor freizukämpfen und die Menschen in Sicherheit zu bringen.
Die Zentralratsvorsitzende Dlovani zeigte sich erfreut, dass der Völkermord an den Jesiden in Deutschland mit Urteilen der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Hamburg aus den Jahren 2021 und 2022 anerkannt wurde. Nach der rechtlichen müsse nun die politische Anerkennung folgen, forderte die Vorsitzende. Alle Angehörige der Minderheit blickten hoffnungsvoll diesem Herbst entgegen. Dann werde der Deutsche Bundestag in Berlin über diese Frage abstimmen.
„Der 3. August 2022 ist ein historischer Tag“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats, Irfan Ortac, vor der Gedenkveranstaltung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Erstmals seien in der Paulskirche die Oberhäupter von 17 der 24 jesidischen Stämme zusammengekommen. Ihr Ziel sei es, nicht mehr nur zurück, sondern auch nach vorn zu schauen und die Zukunft zu gestalten. Insgesamt seien ab 2014 rund eine halbe Million Jesidinnen und Jesiden aus ihrer Heimat geflüchtet, davon etwa 140.000 nach Deutschland. Mehr als 200.000 lebten noch in Lagern im Nordirak.
Hierzulande gehe es den geflüchteten Jesidinnen und Jesiden vergleichsweise gut, so die Einschätzung von Ortac. Sie seien sowohl in den Schulen als auch in der Arbeitswelt meist gut integriert. Trotzdem müsse man bedenken, dass viele der Geflüchteten traumatisiert seien und Hilfe benötigten. Auch seien sie oft rassistischen Beleidigungen ausgesetzt. Trotzdem verhielten sie sich „still und unauffällig“, so Ortac. Zwar sei ihr Rückkehrwunsch ungebrochen, „aber die Realität steht dem entgegen“, sagte der Politikwissenschaftler.
Auch Schwabe erklärte, viele Jesidinnen und Jesiden, die damals aus ihrer Heimat vertrieben worden seien, wollten dorthin zurückkehren, statt weiter in Flüchtlingslagern auszuharren. Die Sicherheitslage im Irak und insbesondere in der Sindschar-Region sei jedoch weiterhin fragil. „Ich unterstütze den Wunsch der jesidischen Gemeinde nach einer Rückkehr in ihre Heimat. Dabei müssen wir aber die Sicherheitslage immer im Auge behalten.“ Schwabe, der auch menschenrechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag ist, wies mit Blick auf die Gräueltaten der IS-Dschihadisten darauf hin, dass mehr als 5.000 Menschen ums Leben kamen und mehr als 2.000 noch vermisst seien.
Das Jesidentum ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln bis 2.000 Jahre vor Christus zurückreichen. Jesidinnen und Jesiden glauben an Seelenwanderung und Wiedergeburt, besonders verehrt wird der „Engel Pfau“ (Tausi Melek).