Blaubeuren (epd). Die Neandertaler hatten eine größere Speisekarte als bisher angenommen. Denn auf dem Essensplan dieses vor rund 40.000 Jahren ausgestorbenen Verwandten des modernen Menschen standen auch Vögel, wie Professor Nicholas Conard von der Universität Tübingen am Dienstag im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren bei Ulm erläuterte. Als „Fund des Jahres“ präsentierten Conard, der auch Wissenschaftlicher Direktor des Museums ist, und die Archäologin Keiko Kitagawa (Uni Tübingen) Vogelknochen, die darauf schließen lassen, dass auch Schneehühner, Auerhühner oder „Entenvögel“ auf dem Speiseplan der Neandertaler standen.
Ausgrabungen in der Welterbe-Höhle Hohle Fels (Baden-Württemberg) haben Conard zufolge 1.187 Vogelknochen zutage gebracht, die laut wissenschaftlicher Elektronen-Spin-Resonanz-Datierung rund 65.000 Jahre alt sind. Diese Knochen weisen Bissspuren auf, zeigen aber auch die Verwendung von Werkzeugen, mit denen die Neandertaler offensichtlich das Fleisch von den Knochen getrennt haben, wie Archäologin Kitagawa ergänzte.
Diese Funde aus der Höhle, in der 2008 die „Venus von Hohle Fels“ als älteste von Menschen geschaffene Figur entdeckt wurde, führen zu einer neuen wissenschaftlichen Bewertung der Neandertaler, wie Conard sagte. Denn bisher sei die Forschung davon ausgegangen, dass ein Grund für das Aussterben der Neandertaler ihre eher eintönige Ernährungsweise gewesen sei. Es sei vermutet worden, dass sie sich im Gegensatz zum modernen Menschen, der sie verdrängte, hauptsächlich von Großwild wie Rentieren oder Wildpferden ernährt hätten. Diese These sei durch die neuen Funde widerlegt, betonte der Archäologe.
Der „Fund des Jahres“ ist im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren im Rahmen einer Sonderausstellung über Vögel noch bis Ende der Schulferien zu sehen.