Osnabrück (epd). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine „falsche“ Impfstrategie vorgeworfen, bei der bis zu hundert Millionen Euro verschwendet würden. Lauterbach plane bis zu 60 Millionen Impfungen im Herbst und Winter, sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung, Andreas Gassen, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). Nach einer Kalkulation seiner Vereinigung sei jedoch nur mit höchstens 30 Millionen Impfungen zu rechnen. Dabei seien ein zweiter Booster für alle ab 60, ein erster Booster für alle Jüngeren und ein üppiges Kontingent für Ungeimpfte großzügig eingerechnet.
Das Ziel der Bundesregierung von 50 bis 60 Millionen Impfungen „ist unseres Erachtens unrealistisch“, sagte Gassen. Sollte Lauterbach wie von Medien berichtet mehr als 200 Millionen Dosen bestellt habe, „ist zu erwarten, dass Impfstoff im Wert von möglicherweise hundert Millionen Euro oder mehr weggeworfen werden muss“.
Der Kassenärztechef kritisierte außerdem den Rat des Gesundheitsministers an unter 60-Jährige, sich rasch eine zweite Boosterimpfung zu holen. „Unter anderem aus israelischen Studien wissen wir, dass ein zweiter Booster bei jüngeren Gesunden nicht sinnvoll ist“, betonte Gassen. Lauterbach sei mit seiner Empfehlung zum zweiten Booster für alle „ziemlich exklusiv unterwegs. 30- oder 40-Jährigen pauschal eine vierte Impfung zu empfehlen, das halte ich für falsch.“
Auch im kommenden Herbst sehe er dafür aktuell keine Notwendigkeit, solange es nicht neue und deutlich gefährlichere Varianten gebe, ergänzte Gassen. „Ich werde mir jedenfalls keinen zweiten Booster geben lassen.“ Selbst bei den gesunden älteren Menschen wäre er mit der Viertimpfung zurückhaltend, insbesondere, wenn sie gerade schon eine Omikron-Infektion überstanden haben. Das Immunsystem sei ein hochkomplexes Organ.