Kassel (epd). Hartz-IV-Aufstocker dürfen Trinkgelder aus ihrer Beschäftigung in gewissem Rahmen behalten. Dies gilt für monatliche Trinkgelder, die nicht höher als zehn Prozent des Regelbedarfs sind, urteilte am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 7/14 AS 75/20 R). Derzeit liegt der Hartz-IV-Regelsatz für einen alleinstehenden Arbeitslosengeld-II-Bezieher bei monatlich 449 Euro, so dass derzeit 44,90 Euro an Trinkgeldern nicht einkommensmindernd auf die Hilfeleistungen angerechnet werden dürfen.
In dem Fall ging es um eine Hartz-IV-Aufstockerin aus dem bayerischen Deggendorf. Sie erhielt im Streitzeitraum von Dezember 2014 bis einschließlich April 2015 neben geringen Arbeitslosengeld-I-Leistungen auch ergänzendes Hartz IV zur Deckung ihres Existenzminimums. Zusätzlich arbeitete sie gelegentlich in einem Wirtshaus. Dort verdiente sie zunächst 50 Euro und zuletzt 144,50 Euro. Beim Jobcenter gab sie an, dass sie monatlich schätzungsweise weitere 25 Euro an Trinkgeldern erhält.
Das Jobcenter wertete nach Berücksichtigung von Freibeträgen das Trinkgeld als Einkommen, welches das Arbeitslosengeld II mindert. Das Trinkgeld stehe im engen Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit und werde regelmäßig gezahlt, argumentierte die Behörde.
Die Frau hielt die Anrechnung jedoch für rechtswidrig. Es handele sich hier um eine freiwillige Zuwendung. Eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung zur Trinkgeldzahlung gebe es nicht. Nach dem Gesetz dürften sich Zuwendungen nicht mindernd auf das Arbeitslosengeld II auswirken, wenn diese kaum die finanzielle Situation des Hilfebedürftigen verbessern.
Dem folgte nun auch das Bundessozialgericht. Bei Trinkgeldern handele es sich um eine Zuwendung und nicht um reguläres Erwerbseinkommen, da diese freiwillig gezahlt werden. Die gesetzlichen Bestimmungen sähen vor, dass geringe „Zuwendungen“ nicht beim Arbeitslosengeld II berücksichtigt werden müssen. Die Zahlung von Arbeitslosengeld II müsse aber trotz der erhaltenen Zuwendung noch gerechtfertigt sein.
Das Gericht legte in seinem Urteil daraufhin erstmals eine Grenze fest, bis zu welcher Höhe Zuwendungen nicht berücksichtigt werden müssen. Dies sei regelmäßig bei zehn Prozent des Regelbedarfs der Fall. Da die Klägerin unter diesem Wert lag, durfte das Jobcenter die Trinkgelder nicht mindernd auf das Arbeitslosengeld II anrechnen, so das Gericht. Inwieweit auch Einkünfte aus Pfandflaschensammeln, Betteln oder erhaltene Essensspenden von den Tafeln darunter fallen, hatte das BSG in dem Fall nicht zu entscheiden.