Stuttgart (epd). Die Kirchen haben nach Ansicht des scheidenden Bischofs der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, in Krisen und Katastrophen einen besonderen Auftrag. Nach dem Amoklauf von Winnenden 2009 sei ihm klar geworden, „dass es Situationen gibt, wo eine Gesellschaft nach Worten sucht, und dann dankbar ist, dass die Kirche Worte findet, die sie sich selbst nicht sagen kann“, sagte July dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der dienstälteste Bischof in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) übergibt sein Amt nach 17 Jahren am 24. Juli an Ernst-Wilhelm Gohl.
In schweren Situationen liehen die Kirchen der Gesellschaft „unsere Orientierung, unsere Hoffnung“, ergänzte July. Großereignisse wie der Deutsche Evangelische Kirchentag 2015 in Stuttgart zeigten andererseits, dass die Gesellschaft nicht nur in Krisen die Nähe der Kirche suche.
„Und selbst Menschen mit einem distanzierten Interesse an Kirche interessieren sich in ethischen Fragen wie dem Lebensschutz für die Haltung der Kirche“, sagte der evangelische Theologe. So habe ihn beispielsweise das Ensemble des Stuttgarter Staatstheaters zu einem Gespräch über Sterbehilfe eingeladen, weil gerade ein Stück zu dem Thema gespielt wurde.
Die zurückgehende Zahl der Kirchenmitglieder hat July nach eigenen Worten sehr beschäftigt: Es passe „oft nicht zusammen, dass ich sehe, dass viele Menschen sich an der Arbeit ihrer Kirche und ihres Pfarrers freuen und diese schätzen, aber trotzdem austreten“. Unabhängig von der gesellschaftlichen Resonanz sollten aber der Glaube und die christliche Hoffnung weitergegeben werden.
„Wir sollten nicht der Öffentlichkeit vermitteln, dass es mit der Kirche immer nur weiter bergab geht“, sagte der 67-Jährige. Manchmal finde er es schade, dass zu wenig wahrgenommen wird, was die Kirche bereits bewegt habe. „Zwei Beispiele: Welche Landeskirche hat schon einen Instagram-Pfarrer oder eine Pfarrerin, die Pilgern mit Lamas anbietet? Ich habe mich auch sehr dafür eingesetzt, dass der Digitalisierungsprozess in Gang gekommen ist“, sagte er.
Den Ruhestand will July mit seiner Frau Edeltraud im fränkischen Windsbach verbringen. Vorgenommen habe er sich, Italienisch und Kochen zu lernen. Er bleibe vorerst Präsident der Lutherakademie und habe noch mehrere Stiftungsvorsitze und weitere Ämter, so dass der Übergang in den Ruhestand fließend sein werde, sagte der Landesbischof.