Mainz (epd). Im zerstörten Ahrtal leben nach der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 viele Menschen nach wie vor in großer Angst vor einem möglichen neuen Hochwasser. Bei jedem stärkeren Regen schnellten die Anrufzahlen bei der Krisen-Hotline nach oben, sagte der rheinland-pfälzische Opferbeauftragte Detlef Placzek dem Evangelischen Pressedienst (epd). Immer noch meldeten sich Flutopfer, die therapeutische Hilfe benötigten. Es gebe auch noch immer Bewohner des Ahrtals, die bislang keine Hilfsgelder beantragt hätten.
„Die Menschen sind zu Unrecht sehr bescheiden“, sagte der Präsident des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung, „man muss sie überzeugen, dass sie Ansprüche erheben.“ Aufgrund der stark steigenden Preise seien auch Zuschläge auf bereits zugesagte Hilfsgelder möglich, was die Dauer der Entschädigungsverfahren allerdings weiter verlängere.
Placzek, der nach eigener Angabe zweimal monatlich in die Unglücksregion fährt, bedauerte das langsame Tempo beim Wiederaufbau der zerstörten Ortschaften: „Eigentlich würde ich mir wünschen wollen, dass es schneller geht.“ Ein Jahr nach der Flutkatastrophe habe sich an vielen überfluteten Häusern nichts getan, noch immer gebe es keine Möglichkeit, am gesamten Flusslauf der Ahr entlangzufahren. Ursache für die Situation seien aber weniger das fehlende Geld, sondern die enorme Zahl der Fälle und die Schwierigkeit, Handwerker zu finden.
Placzek sagte, von den Bewohnern der Region habe er in den zurückliegenden Monaten eine Vielzahl von Anfragen erhalten. Darin gehe es um Klagen über die langsame Auszahlung der Hilfsgelder, um fehlende Therapieplätze, aber auch um Alltagssorgen wie verlegte Bushaltestellen. Viele einstige Anwohner, die wieder ins Tal zurückziehen möchten, fänden keine bezahlbare Wohnung mehr.
Bei seiner Arbeit nehme er die gespaltene Haltung der Bewohner zum Wiederaufbau und zur Zukunft der Region wahr. „Das Ahrtal, wie es einmal war, wird es so wohl nicht mehr geben“, sagte Placzek. In seiner Rolle als Landesbeauftragter habe er beispielsweise Gespräche mit Anwohnern geführt, deren zerstörte Häuser nicht wieder aufgebaut werden können. Aktuell werde vor Ort auch eine intensive Debatte über den Wiederaufbau zerstörter Brücken geführt. Eine Wiederherstellung nach den oft idyllischen historischen Vorbildern werde von Fachleuten kritisch gesehen, weil es zu verhindern gelte, dass sich an den Pfeilern jemals wieder große Mengen Treibgut aufstauen.
Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 kamen in Deutschland mehr als 180 Menschen ums Leben: 135 in Rheinland-Pfalz und 49 in Nordrhein-Westfalen. Vor allem im Ahrtal richtete die Flut schwere Verwüstungen an: Etwa 17.000 Menschen verloren ihren gesamten Besitz.