Berlin (epd). Amtsärzte fordern eine Ausweitung der Abwasseranalysen auf alle Kommunen, um einen genaueren Überblick über die Ausbreitung des Coronavirus zu erhalten. „Die Abwasseranalyse ist ein hervorragendes Instrument für die Pandemiekontrolle“, sagte Johannes Nießen, Vorsitzender des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Bislang nähmen erst 20 deutsche Städte am EU-Abwassermonitoring teil. Nießen ist Leiter des Kölner Gesundheitsamtes und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung.
Optimal wäre eine Beteiligung aller Kommunen, sagte Nießen. „Je mehr Städte daran teilnehmen, desto präziser wird unser Bild vom Infektionsgeschehen.“ Die Methode koste wenig, der Aufwand sei gering und man bekomme ein Echtzeit-Lagebild von der pandemischen Situation. In Köln sei auf diese Weise festgestellt worden, dass bei den aktuellen Corona-Meldezahlen nur rund die Hälfte Infektionen erfasst würden, sagte der Mediziner: „Die offizielle Inzidenz liegt bei aktuell bei rund 800, durch die Abwasseranalyse wissen wir aber, dass sie tatsächlich bei über 1.500 liegt.“
Im März 2021 hatte die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten aufgefordert, das Abwasser-Monitoring systematisch zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu nutzen. Weil Infizierte das Virus über den Stuhl ausscheiden, lässt sich anhand von Abwasserproben aus Klärwerken schnell zeigen, wo und wie stark sich gerade welche Variante ausbreitet. Die Abwasseranalyse sei nicht auf das Coronavirus beschränkt, erläuterte Nießen. „In Zukunft ließe sich die Analyse auch auf weitere Erreger anwenden - etwa auf Polio- oder Masernviren.“