Hamburg (epd). Aus Sicht der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sind die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine mit christlichen Grundsätzen vereinbar. „Die Menschen in der Ukraine haben ein Recht auf Verteidigung. Und es gibt auch das christliche Gebot der Nothilfe, wenn Menschen ermordet, gefoltert, erniedrigt, vertrieben werden“, sagte Kurschus dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ in einem am Freitag online veröffentlichten Interview.
Sie könne Politikerinnen und Politikern, die Waffen an die Ukraine liefern wollen, nicht vorwerfen, dass das unchristlich sei. Zwar könnten Christen für sich selbst entscheiden, auf Gegengewalt zu verzichten, wenn sie mit Waffen angegriffen werden. „Ich bewundere die Ukrainerinnen und Ukrainer, die das tun“, sagte die westfälische Präses und oberste Repräsentantin der deutschen Protestanten. Es sei aber etwas ganz anderes, „wenn ich als Christin, gar als leitende Angestellte der Kirche, die selbst nicht unmittelbar bedroht ist, Angegriffenen dies moralisch gebietet“.
Bei den Waffenlieferungen geht es laut Kurschus um „Abwägungen in einer Dilemma-Situation“. „Ich habe in Bonn studiert, im Hofgarten in den 80er Jahren gegen den Nato-Doppelbeschluss demonstriert. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich je Waffenlieferungen als verantwortbare politische Entscheidung anerkennen würde“, sagte sie.
Angesichts der Folgen des Krieges und der Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben warnte die EKD-Ratsvorsitzende vor gesellschaftlichen Verwerfungen. In der Coronazeit hätten sich Menschen, die zwei Jahre lang fast nichts verdienten, mehr Unterstützung gewünscht. „Jetzt sind auf einmal 100 Milliarden für Waffen da. Das mindert das Vertrauen in die Politik“, sagte Kurschus. Das könne zu Unruhe im Land führen.