Berlin (epd). Der Geschlechtseintrag im Pass soll künftig durch eine einfache Erklärung beim Standesamt geändert werden können. Das sehen Eckpunkte für ein sogenanntes Selbstbestimmungsgesetz vor, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag in Berlin vorstellten. Die bisherigen Hürden für die Änderung des Geschlechts seien menschenverachtend und entwürdigend, sagte Paus. Das geltende Recht behandele Transsexuelle wie Kranke, sagte Buschmann.
Die Bundesregierung plant den Eckpunkten zufolge eine Abschaffung des Transsexuellengesetzes. Das Gesetz fordert von Menschen, die ihr Geschlecht im Pass ändern wollen, bislang zwei psychiatrische Begutachtungen, bei denen intime Fragen gestellt werden, die von Betroffenen als entwürdigend empfunden werden. Entscheiden muss dann ein Gericht.
Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums entscheiden die Gerichte in 99 Prozent der Fälle ohnehin bereits im Sinne der Antragsteller und Antragstellerinnen. Nach Angaben des Justizministeriums gab es 2020 insgesamt 2.687 Verfahren nach dem Transsexuellengesetz. Seit 2017 gibt es den Angaben zufolge mehr als 2.000 Verfahren pro Jahr, davor waren es jedes Jahr mehr als 1.000.
Die ärztliche Begutachtung sowie die Notwendigkeit eines Gerichtsverfahrens sollen künftig entfallen. Per Erklärung beim Standesamt sollen Volljährige künftig Geschlecht und Vorname im Pass ändern lassen können. Dabei reicht die Selbstauskunft. Auch die äußere Erscheinung soll keine Rolle spielen. Die Korrektur des Geschlechtseintrags werde das, was sie sein sollte, erklärten die Grünen-Politikerinnen Nyke Slawik und Tessa Ganserer - selbst Transfrau: „Ein unspektakulärer Verwaltungsakt beim Standesamt.“
Bei unter 12-Jährigen sollen den Eckpunkten zufolge die Sorgeberechtigten entscheiden. Bei 14- bis 18-Jährigen ist die Geschlechtsänderung auf Wunsch des oder der Minderjährigen mit Zustimmung der Eltern möglich. In Konfliktfällen soll ein Familiengericht entscheiden.
Das Selbstbestimmungsgesetz gehört zu den zentralen gesellschaftspolitischen Vorhaben der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Im Koalitionsvertrag haben die Parteien auch angekündigt, dass geschlechtsangleichende Behandlungen künftig von der Kasse übernommen und Trans- sowie Interpersonen, die von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen waren, entschädigt werden. Dies beinhalten die aktuellen Eckpunkte noch nicht. Viele Intersexuelle, also Menschen mit nicht eindeutiger biologischer Geschlechtszuordnung, leiden bis heute an den Folgen von geschlechtsangleichenden Operationen im Kindesalter, über die sie nicht selbst entschieden haben.
Im neuen Gesetz soll es nur um die Personenstandsregelung gehen. Bei Entscheidungen über geschlechtsangleichende Maßnahmen sollen auch weiterhin fachmedizinische Regelungen herangezogen werden, betonten Buschmann und Paus.
Zustimmung zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz kam von Kinderschutzorganisationen. Die vergangenen Jahrzehnte hätten vielfach gezeigt, welche körperlichen Leiden und seelischen Schäden durch Entscheidungen zur geschlechtlichen Identität gegen den Willen von Kindern durchgesetzt werden, erklärte das Deutsche Kinderhilfswerk.
Die AfD hingegen kritisierte das geplante Gesetz. Die Abgeordnete Beatrix von Storch nannte es ein „Ideologie-Projekt“ und bezeichnete es als frauenfeindlich. Frauen müssten sich mit Männern auseinandersetzen, die sich selbst als Frauen definieren, befürchtet sie.