In einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) wirbt Küng stattdessen für eine Unterstützung der Reformen von unten in der katholischen Kirche und lobt in diesem Zusammenhang den "Aufruf zum Ungehorsam" der österreichischen Priesterinitiative. Dessen führender Kopf, der ehemalige Wiener Generalvikar Helmut Schüller, tritt am Rande des Mannheimer Treffens auf, das vom 16. bis 20. Mai dauert.
Seine Teilnahme an einer "Konzilsgala" beim Katholikentag zum 50. Jahrestag des Konzilstarts habe er abgesagt, schreibt der 84-jährige Theologe. Angesichts der gegenwärtigen Not der Kirche bestehe dazu kein Anlass, eher zu einer "Bußandacht oder zu einem Trauergottesdienst".
Rückwärtige Interpretation des Konzils
Dem Papst wirft Küng vor, die positiven Konzilsergebnisse zunehmend rückwärts zu interpretieren: "Er verhindert die schon während des Konzils vom römischen Apparat blockierten Reformen (Sexualmoral, Priesterzölibat, Frauenordination, wiederverheiratete Geschiedene) und riskiert sehenden Auges den Zusammenbruch von Seelsorge und Gemeinden." Ratzinger wolle keine strukturellen Reformen und stehe weiterer ökumenischer Verständigung im Wege.
Schlechte Noten vergibt der Schweizer Katholik auch für den Dialogprozess, den die deutschen Bischöfe und die katholische Laienorganisation unter dem Eindruck des Missbrauchskandals eingeleitet haben. Dieser Gesprächsprozess entpuppe sich zunehmend als "Pseudodialog". Küng: "Das Kirchenvolk soll beruhigt statt ernstgenommen, die Reformverweigerung in Mannheim mit Aufbruchsgerede überspielt werden."
Werbung für gemeinsame Gottesdienste
Vor diesem Hintergrund ermuntert der Theologieprofessor die katholischen Christen, Reformbewegungen zu unterstützen. Gemeinden ohne Priester sollten Wortgottesdienste und "priesterlose Eucharistiefeiern" halten. "Die Kirchenspaltungen zwischen katholischen und evangelischen Gemeinden sollen aufgehoben und immer mehr gemeinsame Veranstaltungen und Gottesdienste gehalten werden."
Zudem sollten die Bischöfe die Reformvorschläge aus dem Kirchenvolk aufgreifen und sollte das Internet für die Vernetzung von Reforminitiativen genutzt werden, schreibt Küng weiter. "Nur wenn wir die Probleme ehrlich benennen und an ihrer Wurzel angehen", lasse sich ein "neuer Aufbruch" wagen.