Kassel (epd). Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Unfallversicherungsschutz für Arbeitnehmer nach einem unterbrochenen Heimweg erweitert. Unterbrechen Arbeitnehmer ihren mit der Straßenbahn angetretenen Arbeitsweg aus privaten Gründen, stehen sie bei der Fortsetzung ihres Weges nicht erst ab Erreichen der nächsten Haltestelle unter Versicherungsschutz, urteilten die Kasseler Richter am Dienstag. Auch der bis dahin zurückgelegte Fußweg sei unfallversichert - vorausgesetzt, es handele sich um dieselbe Strecke, die auch die Straßenbahn zurücklegt. (AZ: B 2 U 16/20 R)
Im Streitfall ging es um einen inzwischen verstorbenen Zugbegleiter. Der Mann hatte sich am 11. November 2015 von seiner Arbeit am Leipziger Hauptbahnhof auf den Heimweg begeben. Die Fahrt mit der Straßenbahn unterbrach er jedoch, um zu Fuß noch ein Rezept von seiner Hausärztin zu holen. Als er danach seinen Heimweg fortsetzte und zur nächsten Straßenbahn-Haltestelle gehen wollte, wurde er beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst.
Die Unfallversicherung Bund und Bahn lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Der versicherte Heimweg sei wegen einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit unterbrochen worden. Bei Fortsetzung des Weges hätte der Unfallschutz frühestens erst ab Erreichen der Haltestelle bestanden. Erst dann könne objektiv davon ausgegangen werden, dass der Versicherte seinen Heimweg auch tatsächlich antreten wollte. Der Fußweg zur Haltestelle könne daher nicht unter Versicherungsschutz stehen.
Die Klage des hinterbliebenen Lebenspartners des Mannes hatte vor dem BSG jedoch Erfolg. Werde ein unterbrochener Heimweg wieder angetreten, um den öffentlichen Personennahverkehr - hier die Straßenbahn - zu nutzen, bestehe auch für den direkten Fußweg dorthin Versicherungsschutz, urteilten die obersten Sozialrichter. Voraussetzung hierfür sei, dass der Betroffene zu Fuß dieselbe Strecke zurücklegt, die auch die Straßenbahn nimmt. Dies sei bei dem Versicherten der Fall gewesen.