Brandenburg an der Havel (epd). Im NS-Prozess gegen einen mutmaßlichen früheren Wachmann des KZ Sachsenhausen hat die Verteidigung Freispruch gefordert. In dem Indizienprozess sei eine Beteiligung des 101-jährigen Angeklagten Josef S. an NS-Verbrechen nicht nachgewiesen worden, sagte Anwalt Stefan Waterkamp am Montag in Brandenburg an der Havel. Auch eine Tätigkeit als Wachmann in einem Konzentrationslager könne ohne konkrete Tatnachweise nicht als Beihilfe zum Mord gewertet werden, sagte er am 35. Verhandlungstag. Das Urteil soll am Dienstag verkündet werden. (AZ: 11 Ks 4/21)
Die Staatsanwaltschaft wirft Josef S. Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in mehr als 3.500 Fällen vor und fordert fünf Jahre Haft. Nebenklagevertreter haben in dem Prozess des Landgerichts Neuruppin eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren gefordert.
Der Angeklagte bestritt auch in seinem letzten Wort in dem Prozess am Montag, Wachmann in Sachsenhausen gewesen zu sein. Er will in der fraglichen Zeit an einem anderen Ort in der Landwirtschaft gearbeitet haben. Unterlagen sprechen jedoch dafür, dass er als SS-Wachmann in dem Konzentrationslager in Oranienburg nördlich von Berlin im Einsatz war.
In dem als Modell- und Schulungslager der SS errichteten KZ waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende von ihnen wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.
Der Angeklagte, ein in Litauen geborener Baltendeutscher, lebte nach Zweitem Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft mehr als 40 Jahre in der DDR. Laut Staatsanwaltschaft war er in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 SS-Wachmann in Sachsenhausen.