Berlin (epd). Der Zentralrat der Juden hat grundsätzlich zustimmend auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Verbleib der judenfeindlichen Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche reagiert. „Das Urteil des BGH, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss, ist nachvollziehbar“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag in Berlin. Der Zentralrat habe sich jedoch eine deutlichere Positionierung des Bundesgerichtshofs gewünscht.
Der Bundesgerichtshof hatte zuvor die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg abgewiesen. Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert an einer Kirche verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht.
Schuster sagte, dass er der Begründung des Bundesgerichtshofs insofern nicht zu folgen vermag, als nach seiner Auffassung „weder die Bodenplatte noch der erläuternde Schrägaufsteller eine unzweideutige Verurteilung des judenfeindlichen Bildwerks beinhalten“. Die Kirche müsse sich jedoch klar zu ihrer Schuld bekennen und ihren jahrhundertelangen Antijudaismus verurteilen. Laut Gericht hat sich die beklagte Kirche durch die Anbringung der Bodenplatte und eines Aufstellers erfolgreich vom Inhalt des Reliefs distanziert.
Nach der Entscheidung des BGH müsse es der Kirchengemeinde überlassen bleiben, wie sie den „Störungszustand“ beseitigt, fügte Schuster hinzu. Daher sehe er das Urteil als „klaren Auftrag“. Sowohl die Wittenberger Kirchengemeinde als auch die Kirchen insgesamt müssten eine klare und angemessene Lösung für den Umgang mit judenfeindlichen Plastiken finden. Schuster: „Die Diffamierung von Juden durch die Kirchen muss ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.“
Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, erklärte, judenfeindliche Schmähskulpturen gehörten „zu unserer Vergangenheit, die wir nicht ändern können“. Umso wichtiger sei eine sinnvolle Einordnung: „Dies sah das Gericht im vorliegenden Fall von Wittenberg als gegeben an.“
Klein kritisierte jedoch, dass das Wittenberger Hinweisschild neben dem umstrittenen Relief aus dem Mittelalter Wissen nicht nur um den christlichen Antijudaismus voraussetze, sondern auch um das Menschheitsverbrechen der Schoah. Dies könne nicht bei jedem Betrachter vorausgesetzt werden.
Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, bezeichnete das Urteil als enttäuschend: „Dieses jahrhundertealte Schandmal an einem der wichtigsten Orte des Protestantismus, dessen Botschaft auch nach Auschwitz geführt hat, belastet das Verhältnis zwischen Juden und Christen bis heute: Es tut jüdischen Menschen weh und es empört sie.“ Daran änderten auch Schilder nichts, die das Relief umgeben und es zum Mahnmal umwidmen. Heubner plädierte für die Aufstellung der Plastik in einem musealen Kontext.
Das Relief aus dem Jahr 1290 zeigt in vier Metern Höhe eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Im Judentum gilt ein Schwein als unrein. Die „Judensau“ gehört deshalb nach Ansicht des Klägers, einem Mitglied der jüdischen Gemeinde, in ein Museum.