Brandenburg an der Havel (epd). Der Prozess gegen einen früheren Wachmann des KZ Sachsenhausen soll Ende Juni zu Ende gehen. Der 101-jährige Angeklagte sei nach einer Erkrankung wieder verhandlungsfähig, teilte das Landgericht Neuruppin am Montag auf seiner Internetseite mit. Das Plädoyer der Verteidigung werde am Verhandlungsort in Brandenburg an der Havel am 27. Juni erwartet. Am selben Tag solle auch dem Angeklagten die Gelegenheit zu einem letzten Wort gegeben werden. Das Urteil soll am 28. Juni verkündet werden. (Az.: 11 Ks 4/21)
Die Staatsanwaltschaft wirft Josef S. Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in mehr als 3.500 Fällen vor. Sie forderte eine Haftstrafe von fünf Jahren. Die Nebenklage nannte kein konkretes Strafmaß für den Angeklagten. Eine Haft von unter fünf Jahren wäre aber den von ihm vertretenen zehn Überlebenden und Angehörigen nur mit großer Mühe zu vermitteln, sagte Anwalt Thomas Walther im Mai in seinem Plädoyer.
Der Angeklagte war den Ermittlungen zufolge in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 SS-Wachmann in Sachsenhausen. Der in Litauen geborene Baltendeutsche, der nach dem Krieg in der DDR lebte, bestreitet dies. Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.
Der Prozess läuft seit Anfang Oktober. Er wurde vom Gerichtsort Neuruppin nach Brandenburg an der Havel an den Wohnort des Angeklagten verlegt, weil dieser laut Gutachten nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig ist.