Berlin (epd). Wegen des Ukraine-Krieges suchen Bundesregierung und Unternehmen laut Menschenrechtlern zunehmend in Regionen nach Rohstoffen, in denen die Industrie zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen beiträgt. Das von der EU beschlossene Ölembargo verschärfe diese Entwicklung zusätzlich, warnte die „Initiative Lieferkettengesetz“ am Donnerstag in Berlin. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz sei daher dringender denn je.
Seit dem EU-Beschluss über ein Kohleembargo gegen Russland setze die Bundesregierung verstärkt auf Steinkohle aus Kolumbien, erklärte das Bündnis, dem 130 Organisation angehören. Der dortige Tagebau bedrohe den Zugang zu Wasser für die umliegenden indigenen Gemeinden. Zwangsumsiedlungen und Mordanschläge seien keine Seltenheit. Um russisches Erdöl zu ersetzen, wolle Deutschland Importe aus anderen Ländern steigern. Potenzielle Herkunftsländer wie Nigeria, Kasachstan oder die Vereinigten Arabischen Emirate seien für die Verursachung schwerer Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen berüchtigt.
„Ob Gas aus Katar, Kohle aus Kolumbien oder Öl aus Uganda: Der Krieg in der Ukraine führt zu einem regelrechten Ansturm auf Rohstoffe aus anderen Weltregionen und bedroht dort Menschenrechte und Umwelt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel. „Wenn Unternehmen sich jetzt neue Lieferketten aufbauen, muss die EU mit einem Lieferkettengesetz sicherstellen, dass Umwelt und Menschenrechte wirksam geschützt werden.“
Bislang sind deutsche und europäische Unternehmen nicht gesetzlich dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt erst 2023 in Kraft. Eine europaweite Regelung gibt es bislang nicht. Die EU-Kommission hatte im Februar einen Entwurf vorgelegt, der von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisiert wird. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP zu einem „wirksamen EU-Lieferkettengesetz“ bekannt.