Frankfurt a.M. (epd). Fast jeder zehnte Bezieher von Arbeitslosengeld I muss zusätzlich staatliche Hilfe beantragen, um finanziell über die Runden zu kommen. Im vergangenen Jahr erhielten rund 84.000 Empfängerinnen und Empfänger des regulären Arbeitslosengeldes zusätzlich ergänzende Hilfe oder Hartz-IV-Leistungen, wie aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Das betraf neun Prozent aller Menschen, die Arbeitslosengeld I bekamen. Über die Zahlen hatte zuerst die „Rheinische Post“ (Montag) berichtet.
Das Ministerium bezog sich in seiner Antwort auf Daten der Bundesagentur für Arbeit. Danach betrugen die durchschnittlichen Ansprüche der Aufstocker aus der Arbeitslosenversicherung im vergangenen Jahr 519 Euro, die durchschnittliche Anspruchshöhe aller ALG-I-Empfänger lag bei 1.072 Euro. Selbst dieser Wert liege gut 100 Euro unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle, kritisierte die Linken-Politikerin Jessica Tatti. Die Schwelle hatte die EU-Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen laut Tatti 2019 mit 1.175,75 Euro ausgewiesen.
„Wenn neun Prozent aller Menschen zusätzlich zum Arbeitslosengeld Hartz IV brauchen, läuft etwas gewaltig schief“, beklagte die Linken-Politikerin. „Die Leute fragen sich zu Recht, warum sie überhaupt Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abführen, wenn das Arbeitslosengeld nicht mal ihre Existenz absichert, vom Lebensstandard ganz zu schweigen.“
Zudem sei die Lücke zwischen dem ausgezahlten Arbeitslosengeld und der Grundsicherungsschwelle in den vergangenen Jahren konstant gewachsen. Seit 2007 habe sie sich beinahe verdoppelt. Dies deute darauf hin, dass immer stärker Beschäftigte mit geringem Einkommen von Arbeitslosigkeit bedroht und betroffen seien, etwa aufgrund von befristeten Arbeitsverträgen, erklärte Tatti.
Um Arbeitslosengeld I (ALG I) zu erhalten, müssen Versicherte binnen 30 Monaten mindestens ein Jahr lang eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. ALG I beträgt für kinderlose Versicherte 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgeltes, Versicherte mit Kindern erhalten 67 Prozent. Besonders Beschäftigte mit durchschnittlichem und unterdurchschnittlichem Einkommen erhielten zusätzliche Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II.