Brandenburg, Havel (epd). Mit ersten Plädoyers der Nebenklage ist am Montag der NS-Prozess gegen einen früheren Wachmann des KZ Sachsenhausen fortgesetzt worden. Nebenklage-Anwalt Thomas Walther sprach in Brandenburg an der Havel angesichts des Alters des Angeklagten und des „Faktors Zeit“ von einem Indizienprozess der „besonderen Art“. Walther vertritt in dem Prozess elf Überlebende und Angehörige.
Bereits vergangene Woche hatte er der deutschen Justiz vorgeworfen, pflichtvergessen Zeit „verplempert“ zu haben. Es habe bereits seit den 70er Jahren Erkenntnisse der DDR-Staatssicherheit über die NS-Vergangenheit des 101-jährigen Angeklagten gegeben. (AZ: 11 Ks 4/21).
Die Staatsanwaltschaft hatte vergangene Woche in ihrem Plädoyer fünf Jahre Haft für Josef S. gefordert. Sie wirft ihm Beihilfe zum grausamen und heimtückischen Mord in mehr als 3.500 Fällen vor. Es gebe keinen Zweifel, dass Josef S. als SS-Mann in Sachsenhausen tätig war, sagte Staatsanwalt Cyrill Klement.
Der Angeklagte war den Ermittlungen zufolge in der Zeit zwischen dem 23. Oktober 1941 und dem 18. Februar 1945 als SS-Wachmann in Sachsenhausen tätig. Der in Litauen geborene Baltendeutsche bestreitet dies. Zahlreiche Unterlagen sprechen jedoch dafür.
Im KZ Sachsenhausen waren zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende von ihnen wurden ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.
Der Prozess am Landgericht Neuruppin hatte Anfang Oktober vergangenen Jahres begonnen. Er findet nahe dem Wohnort von Josef S. in Brandenburg an der Havel statt, weil dieser laut Gutachter nur wenige Stunden am Tag verhandlungsfähig ist.