Bundesgerichtshof: Keine U-Haft wegen Kindererziehung im IS-Staat

Bundesgerichtshof: Keine U-Haft wegen Kindererziehung im IS-Staat

Karlsruhe (epd). Die Verrichtung von Hausarbeit und Kindererziehung im sogenannten Islamischen Staat (IS) erfüllt noch nicht den dringenden Tatverdacht der Unterstützung und Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Zielten die „häuslichen Pflichten“ aber etwa auf eine Erhöhung der Kampfbereitschaft des Ehemannes und wirbt eine IS-Anhängerin auch noch bei „Glaubensgeschwistern“ um Spenden für den IS, liegt solch ein Tatverdacht vor, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei am Donnerstag bekanntgegebenen Beschlüssen klar. (AZ: AK 14/22 und AK 18/22) Die Karlsruher Richter bestätigten damit in einem Fall die Fortsetzung der Untersuchungshaft einer IS-Rückkehrerin, im zweiten Fall wurde die Entlassung aus der Haft angeordnet.

Im ersten Verfahren war - wahrscheinlich im Oktober 2016 - die damals 25-jährige Frau mit ihren beiden zwei- und einjährigen Söhnen in das syrische IS-Herrschaftsgebiet ausgereist. Sie schloss sich dem IS an und überredete auch ihren Ehemann dazu, als Kämpfer an kriegerischen Auseinandersetzungen teilzunehmen. Ihre Kinder erzog sie nach der IS-Ideologie. Über einen Kanal des Messenger-Dienstes „Telegram“ warb sie bei „Glaubensgeschwistern“ um Spenden für den IS.

Im zweiten Fall reiste die Beschuldigte im April 2015 mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in das syrische IS-Herrschaftsgebiet aus. Sie kümmerte sich allerdings nur um die Kinder und den Haushalt. Die Eingliederung in die IS-Organisation konnte ihr nicht nachgewiesen werden.

Als die Frauen wieder nach Deutschland zurückkehrten, wurde gegen sie Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts der Unterstützung und Beteiligung einer ausländischen terroristischen Organisation erlassen. Als die Untersuchungshaft nach sechs Monaten überprüft wurde, ordnete der BGH im zweiten Fall die Freilassung der Beschuldigten an. Allein Hausarbeit und Kindererziehung und damit das Leben im „Kalifat“ könnten den dringenden Tatverdacht der Unterstützung und Mitgliedschaft beim IS nicht begründen.

Anders sehe dies aber im ersten Fall aus. Hier habe die Beschuldigte die Hausarbeit und Kindererziehung nicht als „Erfüllung häuslicher Pflichten“ angesehen. Sie habe vielmehr den IS und die Kampfbereitschaft ihres Mannes fördern wollen. Sie habe zudem ihren Mann dazu überredet, sich ebenfalls dem IS anzuschließen. Die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland sei daher gerechtfertigt.