Frankfurt a.M. (epd). Lehrkräfte müssen nach Auffassung der Soziologin Julia Bernstein sofort einschreiten, wenn in der Schule „Du Jude“ als Schimpfwort benutzt wird. Sie dürften nicht weghören, forderte die Wissenschaftlerin von der Frankfurt University of Applied Science im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Unabhängig vom Fach und vom Ort müssten Lehrkräfte die Schüler sofort ansprechen, wenn sie Zeugen antisemitischer Äußerungen werden. „Man darf nicht sagen, darum muss sich der Klassenlehrer oder Geschichtslehrer kümmern“, unterstrich Bernstein.
In ihrer Studie „Mach mal keine Judenaktion!“ war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass Lehrkräfte Antisemitismus häufig bagatellisieren, manchmal sogar tolerieren. „Die meisten sehen sich als aufgeklärte, reflektierte, engagierte Bürger und schließen es kategorisch aus, antisemitische Weltbilder haben zu können.“
Dabei müssten Lehrkräfte bei sich anfangen, sagte Professorin für soziale Ungleichheiten und Diskriminierungserfahrungen. „Sie müssen Anteile antisemitischer Art bei sich suchen und reflektieren. Sei es in der Sprache, in der Einstellung, im Denken oder im Handeln.“ Bernstein begrüßte Initiativen wie das im Juli 2021 präsentierte Gütesiegel der Kirchen, mit dem Schulen ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen können. „Es ist gut, dass man sich damit auseinandersetzt, um das Problem sichtbar zu machen. Ich glaube allerdings nicht an einen Stempel, der die jeweilige Schule vor Antisemitismus schützt.“
Um das Zertifikat „Zusammen gegen Antisemitismus“ verliehen zu bekommen, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein: So soll jeder Schüler während seiner Schulzeit eine Synagoge besuchen und jüdischen Menschen begegnen. Auch der Besuch einer KZ-Gedenkstätte, die Lektüre eines Buches zur Shoah sowie die Gestaltung eines Gedenktages gehören zum Katalog. Die politische Lage im Nahen Osten und von israelbezogenem Antisemitismus sollen verpflichtend im Unterricht vorkommen. Beim Klausurenplan soll Rücksicht auf jüdische Feiertage genommen werden.