Expertinnen: Weibliche Flüchtlinge besser in Arbeitsmarkt integrieren

Expertinnen: Weibliche Flüchtlinge besser in Arbeitsmarkt integrieren
Ein Großteil der Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, sind Frauen mit Kindern. Damit sie nicht in unterqualifizierten Jobs landen, müssten sie mit Kinderbetreuung und Sprachangeboten gefördert werden, fordern Expertinnen.

Berlin (epd). Ein Großteil der geflüchteten ukrainischen Frauen verfügt nach Angaben von Expertinnen im Vergleich zu vergangenen Fluchtbewegungen über eine hohe berufliche Qualifikation. Doch da sie bei ihrer Ankunft in Deutschland meist nicht über genügende Sprachkenntnisse verfügen, suchten viele zunächst Arbeit im Niedriglohnsektor, hieß es am Donnerstag bei einem Expertinnen-Gespräch des Mediendienstes Integration in Berlin.

Damit die Betroffenen nicht dauerhaft unterqualifiziert beschäftigt bleiben, seien vor allem Investitionen in Kinderbetreuung und Sprachkurse nötig, sagte die Arbeitsmarktforscherin Yuliya Kosyakova. Bei der Verteilung der Flüchtenden aus der Ukraine müsse verstärkt deren Qualifikation berücksichtigt werden, mahnte die Expertin vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die erfolgreiche Integration der Frauen hänge entscheidend vom Spracherwerb und der Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse ab.

Die Arbeitsmarktforscherin forderte, bei der Verteilung von Flüchtenden deren Berufswünsche stärker als bisher zu berücksichtigen: „Wohnsitzauflagen haben einen negativen Effekt auf die Arbeitsmarktintegration.“

Etwa ein Drittel der Menschen, die im Rahmen der Flüchtlingskrise zwischen 2015 und 2016 nach Deutschland kamen, arbeiteten laut Kosyakova unterhalb ihrer Qualifikation. Deren Anteil habe mit der Zeit abgenommen. Die Arbeitsmarktforscherin empfahl, die Bleibeperspektive auf drei Jahre zu verlängern. Andernfalls würden die Betroffenen weniger in Integrationsmaßnahmen investieren: „Je besser die ganze Familie integriert ist, desto erfolgreicher ist die langfristige soziale und ökonomische Integration.“

Die Sozialwissenschaftlerin Ildikó Pallmann vom „Minor Projektkontor für Bildung und Forschung“ warnte, der Wunsch vieler Frauen, rasch eine Beschäftigung zu finden, erhöhe das Risiko ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse. „Wichtig ist, sie nicht direkt nach dem Motto 'Schnelle Vermittlung' in den Niedriglohnsektor, sondern adäquat zu vermitteln“, sagte Pallmann. Sie forderte überdies Transparenz und Schnelligkeit bei der Anerkennung der Berufsabschlüsse.

In der Vergangenheit seien etwa auch Ingenieurinnen und Apothekerinnen aus Syrien vorrangig Tätigkeiten in der Pflege angeboten worden. Derzeit suchten vor allem Lehrerinnen, Betriebswirtinnen und Ärztinnen aus der Ukraine Informationen über die Anerkennung ihrer ukrainischen Berufsabschlüsse. Vielen Frauen sei es mangels Kinderbetreuung nicht möglich, etwa Integrationskurse zu besuchen. Überdies bestehe ein hoher Bedarf an berufsspezifischen Sprachkursen.

Mehr als 80 Prozent der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland seien Frauen, teilte der Mediendienst Integration unter Berufung auf eine Umfrage des Bundesinnenministeriums mit. Knapp 60 Prozent von ihnen seien gemeinsam mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen. Rund 90 Prozent der Frauen war demnach in der Ukraine berufstätig oder in Ausbildung. Im Ausländerzentralregister wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Donnerstag bis Ende April rund 610.103 Menschen aus der Ukraine erfasst.