Berlin (epd). Mit dem Krieg in der Ukraine haben sich auch die Ängste junger Menschen in Deutschland verändert. So sei deren größte Sorge aktuell mit 68 Prozent ein Krieg in Europa, weil er die Zukunftsaussichten der Jugend infrage stelle und das bisherige Sicherheitsgefühl zerstöre, heißt es in der am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie „Jugend in Deutschland - Sommer 2022“.
Auf Platz zwei der größten Sorgen liegt demnach der Klimawandel (55 Prozent), gefolgt von Inflationssorgen (46 Prozent) und einer Spaltung der Gesellschaft (40 Prozent). Diese Werte seien im Vergleich zur sogenannten Trendstudie vor sechs Monaten konstant.
Die Studie beruht auf einer repräsentativen Online-Befragung von 1.021 Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren vom 9. bis 21. März dieses Jahres. Die Leitung lag bei den Jugendforschern Klaus Hurrelmann und Simon Schnetzer.
Trotz der großen Kriegsangst gibt es demnach „eine eher zurückhaltende Zustimmung zu politischen Maßnahmen, um Russland zu sanktionieren und die Abwehrkräfte zu stärken“, heißt es weiter. So befürworten nur etwas mehr als die Hälfte (58 Prozent) umfassende Sanktionen gegen Russland, 43 Prozent die Erhöhung von Militärausgaben durch die Bundesregierung und 37 Prozent Waffenlieferungen an die Ukraine.
„Die jungen Menschen in Deutschland sind nicht auf eine kriegerische Auseinandersetzung vorbereitet und stehen auch einer Wiedereinführung des Wehrdienstes sehr zurückhaltend gegenüber“, erklärte Hurrelmann. Vier Prozent der unter 18-Jährigen könnten sich vorstellen, sich nach Abschluss der Schulzeit bei der Bundeswehr oder bei einem Freiwilligendienst zu bewerben.
Im Wettbewerb der Parteien liegen weiterhin die Grünen mit 19 Prozent Zustimmung vorn, gefolgt von der FDP mit 13 Prozent. CDU/CSU kommt auf 11 Prozent, die SPD auf 10 Prozent, Linke und AfD jeweils 6 Prozent.
Schnetzer betonte, die Jugend in Deutschland befinde sich seit mehr als 20 Jahren „im Krisenmodus“. Dabei verwies er auf die Wirtschaftskrise von 2008, den Atomunfall im japanischen Fukushima 2011 und die Flüchtlingskrise 2015: „Seit 2018 treibt sie die Sorge vor den Folgen des Klimawandels um, mit dem Frühjahr 2020 kamen die Umbrüche und Unsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie und jetzt kommt auch noch die Kriegsangst dazu.“
Das Ausmaß der Verunsicherung drücke sich auch in einer verschlechterten psychischen Gesundheit. Die drei am häufigsten berichteten Belastungen seien Stress (45 Prozent), Antriebslosigkeit (35 Prozent) und Erschöpfung (32 Prozent). 27 Prozent der Befragten berichteten von einer Depression, 13 Prozent von Hilflosigkeit und 7 Prozent äußerten Suizidgedanken.
Hurrelmann verwies auf die schwindende Rolle von Glaube und Religiosität, zumindest unter Christen. Die Kirchen spielten nur noch eine „mäßige Rolle“ und erreichten junge Menschen nicht mehr. Auf die Frage nach der Sinngebung im Leben rangiert der Glaube auf dem zwölften und letzten Platz (18 Prozent). Als erstes nannten die Befragten Familie (63 Prozent), „Ziele im Leben“ (54 Prozent) und Erfolg haben (48 Prozent).