Frankfurt a.M. (epd). Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet zunehmend auch die Ökumene. Dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. wird vorgeworfen, die kriegerische Gewalt mit religiösen Argumenten zu unterstützen. Der tschechische Ökumene-Experte Pavel Cerny sprach sich jetzt erneut für einen Ausschluss der Russisch Orthodoxen Kirche aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) aus. Scharfe Kritik an der Haltung der russisch-orthodoxen Führung zum Ukraine-Krieg äußerte am Dienstag auch der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July.
Bei der 11. Vollversammlung des Weltkirchenrates im Herbst in Karlsruhe wird daher eine Auseinandersetzung mit der Russischen Orthodoxen Kirche erwartet. Würde der Weltkirchenrat diese weiter in den Reihen seiner Mitglieder behalten, drohe der Organisation ein erheblicher Vertrauensverlust, sagte der international renommierte Theologe Cerny dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Derzeit zeigt sich, dass Patriarch Kyrill und die engste Führung der Kirche die aktuellen Geschehnisse unterstützen.“
Patriarch Kyrill I. hatte den „Westen“ und das Militärbündnis Nato für die Ursachen des Krieges in der Ukraine verantwortlich gemacht. Der tragische Konflikt sei Teil einer „großangelegten geopolitischen Strategie“ zur Schwächung Russlands, heißt es in einem Brief an den Weltkirchenrat. Der amtierende ÖRK-Generalsekretär Ion Sauca hatte Kyrill Anfang März aufgerufen, seine Stimme zu erheben, um den Krieg in der Ukraine zu stoppen.
Ein Ausschluss sei allerdings ein langwieriger Prozess, erklärte Generalsekretär Sauca, der weltweit 352 Kirchen aus mehr als 120 Ländern mit rund 580 Millionen Christinnen und Christen repräsentiert. Die Russische Orthodoxe Kirche mit mehr als 150 Millionen Mitgliedern in mehreren Ländern ist ÖRK-Mitglied seit 1961. Sie ist damit die größte Einzelkirche im Weltkirchenrat.
Über den Ausschluss eines ÖRK-Mitglieds könne nicht der Generalsekretär, sondern nur der Zentralausschuss entscheiden, hatte Sauca am Montag in Genf erklärt: Eine solche Entscheidung werde durch den ÖRK-Zentralausschuss erst nach eingehender Untersuchung, nach Anhörungen, Debatten sowie Besuchen in den betroffenen Kirchen getroffen.
Berühmtes Beispiel sei der Fall von Südafrikas Holländisch Reformierter Kirche, so der rumänisch-orthodoxe Priester Sauca. Zwar hatte diese den ÖRK 1948 mitgegründet, doch brach sie in den 1960er Jahren die Beziehungen ab, als sie sich harter Kritik aus der ökumenischen Gemeinschaft an ihrer aktiven Unterstützung der Apartheid ausgesetzt sah. Auf der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses 2016 wurde sie wieder als Vollmitglied im ÖRK aufgenommen.
Der württembergische Landesbischof July schreibt in seiner in Stuttgart verbreiteten Osterbotschaft: „Heute müssen wir erschüttert zur Kenntnis nehmen, dass eine alt-ehrwürdige Kirche, wie es die russisch-orthodoxe ist, den verbrecherischen russischen Angriffskrieg nicht zurückweist, sondern ihn noch nicht einmal benennt.“ Die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen im Sommer in Karlsruhe solle die Delegierten der russisch-orthodoxen Kirche befragen, welche Bibel so etwas hergebe, forderte der Bischof.