Armutsbündnis: Preissteigerungen bedrohen Existenz von Bedürftigen

Armutsbündnis: Preissteigerungen bedrohen Existenz von Bedürftigen
Drastisch gestiegene Preise machen den Lebensunterhalt für immer mehr Menschen unbezahlbar, beklagen Erwerbslosenverbände und die Nationale Armutskonferenz. Um die Energieversorgung bei Betroffenen zu sichern, müsse der Staat dringend nachbessern.

Berlin (epd). Vor dem Hintergrund der Bedrohung finanzschwacher Haushalte durch drastisch steigende Preise für Energie und Lebensmittel fordert ein Armutsbündnis die Bundesregierung zu raschem Handeln auf. Nötig seien gezielte Hilfen für in Armut lebende Haushalte, betonten Erwerbslosenverbände und die Nationale Armutskonferenz am Freitag in Berlin.

„Während Erwerbstätige einen Energiekostenzuschlag von 300 Euro erhalten, bekommen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung gerade einmal 200 Euro“, kritisierte Jürgen Schneider von der Nationalen Armutskonferenz. Das werde in den wenigsten Fällen ausreichen, die steigenden Stromkosten aufzufangen. Viele Erwerbstätige seien dagegen nicht auf die Zahlung angewiesen. Schneider nannte den Zuschlag ein Beispiel von unnötigem „Gießkannenprinzip“. Die Armutskonferenz ist ein Zusammenschluss von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich gegen Armut und soziale Ausgrenzung einsetzen.

Die Vorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, erklärte, dass Einkommensarmut nicht in Energiearmut münden dürfe. Die angekündigten Einmalzahlungen seien zu niedrig und kämen zu spät. „Die Diakonie fordert zusätzlich eine soziale Notlagenregelung, die in den Sozialgesetzbüchern verankert wird und in einer nationalen Krisensituation eine Unterstützung von Betroffenen - mit mindestens 100 Euro monatlich für ein halbes Jahr - vorsieht.“ Außerdem müsse der Regelsatz für den laufenden Lebensunterhalt dringend erhöht werden, damit er tatsächlich das Existenzminimum absichere, betonte Loheide.

Ulrich Franz von der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppe im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Bonn/Rhein-Sieg rief zu einer Übernahme der Nachforderungen der Energieversorger durch Jobcenter und Sozialämter auf. Diese müssten überdies erhöhte Abschläge bei den Heizkosten berücksichtigen, sagte er vor dem Hintergrund von drastischen Preissteigerungen seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine.

Künftig müsse der tatsächliche Energieverbrauch übernommen werden, so der Gewerkschafter. Der entsprechende Kostenfaktor bei Sozialleistungen müsse durch ein Volumen an Kilowattstunden ersetzt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Erwerbslose mehr Zeit zu Hause verbringen müssten als Berufstätige.

Nach Auffassung von „AufRecht bestehen“, einem Bündnis von Erwerbslosengruppen und Beratungsstellen, müssen die Stromkosten zudem aus dem Regelsatz der Grundsicherung herausgenommen werden. Stattdessen sollten die Behörden die Stromkosten übernehmen.

Die Erfahrungen mit Energieschulden in der Beratungspraxis der Selbsthilfeorganisationen sind laut Helga Röller vom Frankfurter Arbeitslosenzentrum drastisch. „In den Fallbesprechungen mit dem Beratungsteam häufen sich die Fälle, wo Ratsuchende die eingehenden Rechnungen nicht mehr bezahlen können“, sagte Röller. Strom- und Gassperren seien die Folge.