Afghanistan-Experte: Deutschland muss humanitäre Hilfe fortsetzen

Afghanistan-Experte: Deutschland muss humanitäre Hilfe fortsetzen
06.04.2022
epd
epd-Gespräch: Claudia Rometsch

Bonn (epd). Trotz begrenzter Möglichkeiten sollte Deutschland Afghanistan nach Ansicht des Afghanistan-Experten Jörgen Klußmann auch künftig humanitär unterstützen. „Wir müssen allerdings realistisch sein, was die Möglichkeiten von außen angeht“, erklärte der Studienleiter der Evangelischen Akademie im Rheinland dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt keinen Lichtblick für Afghanistan.“ Dennoch sollte sich Deutschland weiterhin großzügig zeigen und Mittel für die humanitäre Hilfe zur Verfügung stellen.

Die Bundesregierung hatte bei einer internationalen Geberkonferenz für Afghanistan in der vergangenen Woche zusätzliche 200 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zugesagt. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben etwa 23 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Das Land benötige knapp vier Milliarden Euro an humanitärer Hilfe.

Die Versorgungslage der Menschen sei bereits vor der Machtergreifung der Taliban durch die Konflikte im Land, eine Dürre und die Corona-Pandemie schlecht gewesen, sagte Klußmann, der das Land in der Vergangenheit mehrfach als Referent für systemische Konfliktbearbeitung bereist hat. Nun sei es für die Bevölkerung noch schwerer geworden, an Nahrungsmittel oder Medikamente zu kommen. Hinzu komme die derzeitige weltweite Verteuerung von Lebensmitteln. „Wenn die Preise noch weiter steigen, könnte es sein, dass Hungeraufstände die Folge sind“, sagte Klußmann. Proteste gegen die Taliban waren in der Vergangenheit blutig niedergeschlagen worden.

„Deutschland muss weiterhin Geld zur Verfügung stellen, weil wir viele Jahre in dem Land aktiv waren“, forderte Klußmann. Allerdings sehe er große Probleme bei der Verteilung der Hilfsgüter. Die Bundesregierung hatte angekündigt, darauf zu achten, dass die Taliban keinen direkten Zugriff auf Hilfsgüter und Gelder haben. Der Plan, die Hilfsgüter direkt durch die Hilfsorganisationen verteilen zu lassen, sei der einzig denkbare Weg, sagte Klußmann. „Die Frage ist, ob das durchsetzbar ist.“ Dafür zu sorgen, dass die Hilfe tatsächlich bei der bedürftigen Bevölkerung ankomme, sei auch eine gewaltige logistische Aufgabe. „Letztlich wird man nicht daran vorbeikommen, mit den Taliban zu verhandeln“, sagte Klußmann.