Berlin (epd). Eine Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren ist zunächst vom Tisch und eine Mehrheit für eine höhere Altersgrenze weiter offen. Am Montag unterbreitete die Gruppe von Bundestagsabgeordneten, die sich bislang für eine Pflicht für alle Erwachsenen ausgesprochen hatte, einen Kompromissvorschlag.
Sie will nun eine Impfpflicht ab 50 Jahren, für jüngere Erwachsene eine Beratungspflicht und erst im zweiten Schritt - wenn nötig - auch für sie die Impfpflicht. Sie hofft damit noch eine Mehrheit für eine Impfpflicht zusammenzubekommen. Am Montag sah es danach aber zunächst nicht aus.
Mit dem Verschieben der Altersgrenze auf 50 Jahre für die Impfpflicht geht die Gruppe um Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP) auf die Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann zu, der zudem auch für eine Impfberatungspflicht wirbt. Allerdings würde nach ihrem Vorschlag die Impfpflicht ab 50 in jedem Fall ab Oktober gelten. Bei Ullmann würde sie nur kommen, wenn die Impfberatung nicht zu einer ausreichenden Erhöhung der Impfquote führen sollte.
Eine sofortige Impfpflicht „ohne Würdigung der vielen unbekannten Variablen im Herbst, von dann denkbaren Virusvarianten bis zur Immunitätsquote in der Bevölkerung“ könne auf der Basis der aktuellen Datenlage nicht ausreichend gut begründet werden, erklärten Vertreter der Gruppe um Ullmann dann auch am Montag und beharrten zunächst auf ihrem Vorschlag. Dem Kompromissangebot könnten sie „in der jetzigen Form nicht zustimmen“, heißt es in ihrer Mitteilung weiter.
Einen Korb bekam die Gruppe auch von der Union. Auf sie wollte die Gruppe zugehen, indem sie sich nun einverstanden mit einem Impfregister zeigt, das zum Kern des Antrags von CDU und CSU für ein Impfvorsorgegesetz gehört. Die Impf-, Genesenen- oder Beratungsnachweise sollen von den Krankenkassen erhoben und gespeichert werden.
Den gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), überzeugt das nicht: Das Papier sei nicht ein Kompromiss zwischen den Konzepten, sondern eine „unsaubere Fusion“ der Impfpflicht ab 18 und der ab 50, sagte er der „Rheinischen Post“ (online). Es gehe „um eine Mehrheit um der Mehrheit willen“. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sepp Müller (CDU) sagte dem „Spiegel“, er werde den Gremien seiner Fraktion vorschlagen, „dass wir bei unserem eigenen Vorschlag bleiben“.
Der Grünen-Abgeordnete Till Steffen warb für den Kompromissvorschlag und sagte, man habe versucht, die wesentlichen Bestandteile der drei Entwürfe zusammenzubringen, die sich im Grundsatz für eine Impfpflicht aussprechen. In jedem Fall wolle die Gruppe diese Version und nicht mehr die Impfpflicht ab 18 am Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung stellen, erläuterte die SPD-Politikerin Dagmar Schmidt. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb für den Kompromiss. Jeder, der die Impfpflicht wolle, könne sich dort wiederfinden, erklärte er.
Die Diakonie bedauerte den Abschied von der Impfpflicht ab 18. Sie wäre die wirkungsvollste Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie, erklärte deren Präsident Ulrich Lilie. Ein Verzicht darauf „wäre eine weitere verpasste Chance bei der Pandemiebekämpfung“. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz äußerte sich skeptisch zum unterbreiteten Kompromissvorschlag. Für Ordnungsbehörden und Gesundheitsämter wäre die Teil-Impfpflicht eine Mammut-Aufgabe, sagte Vorstand Eugen Brysch. Der Gesetzgeber laufe Gefahr, an der praktischen Umsetzung zu scheitern.