Kirchlicher Kita-Experte: Wir sind am Ende der Fahnenstange

Kirchlicher Kita-Experte: Wir sind am Ende der Fahnenstange
31.03.2022
epd
epd-Gespräch: Dieter Sell

Bremen (epd). Bundesweit spitzt sich die personelle Situation in den Kindertagesstätten nach Einschätzung des kirchlichen Kita-Experten Carsten Schlepper immer weiter zu. Die Einrichtungen würden durch die anstehende Aufnahme Tausender geflüchteter Kinder aus der Ukraine vor zusätzliche Probleme gestellt, sagte der Vorstandschef der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in Bremen dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Der Personalmangel schlägt voll durch, wir sind am Ende der Fahnenstange.“ Trotz aller Anstrengungen im Ausbildungssektor seien Fachkräfte nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

Die Fluktuation in den Teams nehme zu, Unzufriedenheit und Konflikte führten zu kurzfristigen Abgängen, Vakanzen ließen sich nicht zeitnah besetzen, schilderte Schlepper die Lage. Damit hätten in Deutschland alle Kita-Träger zu kämpfen. Vor diesem Hintergrund sei eine 100-prozentige Fachkraftquote mit Erzieherinnen und Erziehern, Sozialassistenten und Elementarpädagogen nicht mehr zu erreichen. „Wir müssen die Einrichtungen auch für andere Professionen und Kita-Helfer öffnen“, schlug der Vorsitzende des Diakonie-Fachverbandes vor.

Kita-Helferinnen und -Helfer könnten unterstützend im pädagogischen Bereich und besonders bei der Entlastung für tägliche Routinen eingesetzt werden, verdeutlichte Schlepper, der auch den Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder leitet. „Außerdem wünsche ich mir auch den leidenschaftlichen Handwerker in der Kita, den Tischler, der mit einer kleinen Kindergruppe Projekte umsetzen kann wie etwa den Bau eines Entenhauses.“

Schlepper warnte vor einem Teufelskreis, wenn die Arbeitsbedingungen nicht verbessert würden: „Dann gehen neu Eingestiegene bald wieder von Bord.“ Dabei müsse berücksichtigt werden, dass durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Belastungen ohnehin eine große Erschöpfung eingetreten sei.

Wenn nun, wie etwa in Niedersachsen geplant, mit Geflüchteten aus der Ukraine die Gruppengröße erhöht werde und zusätzliche Kinder in die Gruppen sollten, „kommen wir über die Grenze dessen, was geht“. Hier könnten Übergangsangebote wie Eltern-Kind-Treffs in Kirchengemeinden Entlastung schaffen. „Außerdem müssen wir in der Gruppe der geflüchteten Erwachsenen potenzielle Fachkräfte für die Kitas identifizieren.“

Die Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder mit Sitz in Berlin ist eine Fachgliederung der Diakonie in Deutschland. Sie vereint bundesweit 9.800 Einrichtungen, in denen eigenen Angaben zufolge mehr als 115.000 Beschäftigte für 550.000 Kinder im Alter bis zu zwölf Jahren arbeiten.