Berlin (epd). Genügend Sprachkurse und eine schnelle Anerkennung von ukrainischen Berufsabschlüssen sind Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge die wichtigsten Voraussetzungen, damit Kriegsvertriebene aus der Ukraine möglicht schnell auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Heil sagte nach einem Treffen mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Sozialverbänden am Mittwoch in Berlin, dafür werde er sich einsetzen und mit den Ländern über ein gemeinsames Vorgehen sprechen.
Der Minister betonte, man sehe die Flüchtlinge nicht in erster Linie als Arbeitskräfte. Priorität sei derzeit, ihnen Schutz zu bieten und sie zu versorgen. Viele wollten aber arbeiten. Rechtlich sei für die Vertriebenen der sofortige Zugang zum Arbeitsmarkt zwar gesichert. Aber „lebenspraktisch“ gebe es eine Fülle von Fragen, die zu klären seien. Dazu gehöre auch die Kinderbetreuung, da vor allem Frauen mit Kindern kämen, erläuterte Heil.
Der Arbeitsminister hatte für Mittwoch Spitzenvertreter von Arbeitgeber-, Wirtschafts- und Sozialverbänden sowie Gewerkschaften eingeladen, um Fragen der Integration von Ukraine-Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt zu besprechen. Eingeladen waren unter anderem die Spitzen von BDA, DGB, ver.di, DIHK, der Wohlfahrtsverbände und der Bundesagentur für Arbeit.
Bei den Sprachkursen müsse dafür gesorgt werden, dass es auch in ländlichen Gegenden ausreichend Plätze gebe, sagte Heil. Er hofft nach eigenen Worten auch darauf, Ukrainer, die Deutsch sprechen, einbinden zu können. Angeboten werden in Deutschland allgemeine Sprachkurse und berufsbezogene, speziellere Kurse.
Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist seit Jahren ein von der Politik erkanntes Problem für Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Heil sagte, er wolle jetzt die Chance nutzen, endlich schneller zu werden. Zunächst müssten die Qualifikationen der Geflüchteten erfasst werden. Ukrainer dürften nicht nur als Hilfskräfte beschäftigt werden, sondern müssten eine längerfristige Perspektive erhalten, sagte Heil. Der SPD-Politiker sprach sich außerdem dafür aus, ukrainische Kriegsflüchtlingen den Zugang zu Hartz IV-Leistungen und damit auch zur Arbeitsvermittlung in den Jobcentern zu eröffnen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger erklärte, um schnell und unbürokratisch helfen zu können, bräuchten Unternehmen ein pragmatisches Vorgehen der staatlichen Stellen. Zentral werde sein, dass die Ausländerbehörden Aufenthaltstitel und Arbeitserlaubnis schnell erteilten, genug Sprachkurse verfügbar seien und Berufsabschlüsse anerkannt würden.
Die Wohlfahrtsverbände begrüßten das Ziel, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Ulrich Lilie, warnte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) aber auch davor, die Menschen mit überhöhten Erwartungen zu überfordern. Als erstes müssten grundlegende Bedürfnisse wie Wohnen sichergestellt „und Kinder gut versorgt sein in Kita und Schule“, sagte Lilie, der auch der Präsident des Bundesverbandes der Diakonie ist.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Angaben der Bundespolizei rund 280.000 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die tatsächliche Zahl könnte aber höher liegen, da die Vertriebenen derzeit nicht lückenlos registriert werden, weil es an der Grenze zu Polen keine Kontrollen gibt. Ukrainer und Ukrainerinnen mit biometrischem Pass dürfen zudem ohne Visum einreisen und sich für 90 Tage frei innerhalb der EU bewegen. Sie müssen sich erst registrieren, wenn diese Zeit abgelaufen ist oder wenn sie staatliche Leistungen beantragen.