Münster (epd). Durch den Krieg in der Ukraine können nach Expertenansicht bei Überlebenden des Zweiten Weltkriegs traumatische Erfahrungen reaktiviert werden. Der Krieg finde in Europa „mehr oder weniger von unserer Haustür“ statt, und bei den Überlebenden weckten Ländernamen wie Russland oder Polen vielfältige Assoziationen, sagte der Arzt und Psychotherapeut Gereon Heuft vom Universitätsklinikum Münster am Montag. Hinzu komme die „unmittelbare Bedrohungserfahrung“ bis hin zu Andeutungen, es könne zu einem globalen Krieg kommen.
Ein zentraler Punkt beim Wiederaufkommen von Traumata seien die Bilder von flüchtenden Frauen und Kindern, erklärte Heuft. Die Überlebenden des Zweiten Weltkriegs seien damals selbst Kinder gewesen. Die realen Bilder aus dem Ukraine-Krieg erinnerten sie an die Zeit vor über 75 Jahren, erläuterte der Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Uni-Klinik Münster.
Den Kriegsüberlebenden von damals riet Heuft, „nicht zu viele Nachrichten zu konsumieren“. Man sollte sich nur gezielt ein- bis maximal zweimal täglich über das Kriegsgeschehen informieren. Menschen, die schon einmal einen Krieg überlebt haben, riet der Hochschullehrer, sich eher über Zeitungen und Radio zu informieren, „anstatt sich immer Bilder im Fernsehen oder Bilderstrecken im Internet zuzumuten“.
Angehörige der älteren Menschen oder Mitarbeitende in der Altenpflege sollten das Thema nicht forcieren und keine Fragen darüber „provozieren“, empfahl Heuft. Wenn jemand von sich aus den Ukraine-Krieg oder den selbst erlebten Krieg anspreche, solle man „vorsichtig nachfragen und dann erst einmal zuhören“. Sollten die Betroffenen Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung entwickeln, wie etwa Albträume oder Äußerungen wie „Jetzt fangen die Bomben wieder an zu fallen“, sollte nach Ansicht des Fachmanns ein Hausarzt konsultiert werden. Es sei zu prüfen, ob etwa eine Psychotherapie in dieser Situation helfen könne.
